Metapherntheorie als musikologisches Refexionsmodell 281 Goodmans Symboltheorie eine neue, musikorientierte Theorieoption. Aus einer sprachkritischen Anwendung der Kategorien Blacks verbunden mit Goodmans Wei-sen der Bezugnahme (Exempli kation und Denotation) im Sinne einer Analyse von Musikbeschreibungen am Beispiel von Beethovens sogenannter Sturmsonate 19 und der Grundlegung musikalischer Metaphorizität in einer Theorie der musikalischen Variation 20 ließ sich eine De nition destillieren, die eine heuristische Funktion hat und besonders auf die Beschreibung von nichtsprachlicher und ästhetisch relevan-ter Metaphorizität zielt:21 Metaphorizität entsteht durch ein Aufeinanderbeziehen von zwei Zeichen bzw. Zeichenkomplexen, das eine Interaktion zwischen Implikationssystemen bewirkt und durch einen Konfikt zwischen gemeinsamen und nicht gemein-samen Merkmalen in Bewegung gehalten wird. Eine solche Formulierung geht in der Übertragungsproblematik einen Mittelweg: Einerseits hält sie am traditionellen, zweiseitigen Metaphernbegriff fest und nutzt damit den kreativen Effekt einer Selbstübertragung des Prinzips inklusive einer wiederum metaphorizitären Visualisierung des Metaphernmodells (siehe Abb. 4), andererseits abstrahiert sie von dem buchstäblichen Begriff, indem ein Ensemble von Charakteristika versammelt wird, das nicht unbedingt an Sprache gebunden und trotzdem für Metaphern typisch ist.In diese De nition fießen mit der Rede von der Interaktion zwischen Implikations-systemen zentrale Kategorien Max Blacks ein. Er entwarf 1954 im Anschluss an I. A. Richards eine Interaktionstheorie, welche die Bedeutungsverschiebung nicht als Übertragen einer Wortbedeutung, sondern als Interagieren zwischen den assoziier-ten Implikationssystemen beschreibt. Er betonte damit den Aspekt der wechselseiti-gen Umorganisation, die sich als Interaktion zwischen den durch die Metapher zu-sammengebundenen Implikationssystemen gestaltet, und für die Black das instruk-tive Sprachbild eines optischen Filters einführte. Die Aussage » Der Mensch ist ein Wolf « reizt den Hörer bzw. Leser dazu, aus dem Implikationssystem ›Wolf‹ diejeni-gen Aspekte auszuwählen, die auf den Menschen anwendbar erscheinen, und ltert dabei gleichzeitig das Menschenbild auf seine wöl schen Züge hin.Im Blick auf einen übertragenen bzw. übertragbaren Metaphernbegriff gehen die anderen Elemente der heuristischen De nition über den Rahmen der Interaktions-theorie hinaus. Die Formulierung Aufeinanderbeziehen lässt offen, auf welche Weise die Verknüpfung von zwei Zeichenkomplexen zustande kommt, betont aber, dass sie notwendig ist, und zwar im Sinne einer wechselseitigen Bezugnahme und eines ak-tiven Momentes des Herstellens einer Beziehung. Ob diese Verknüpfung durch eine Behauptung (wie in den prädikativen Metaphern der Verbalsprachen) oder durch 19 Verf., Invasion der fremden Prädikate. Struktur und Metapher in der Musikbeschreibung, in: Klang – Struktur –Metapher. Musikalische Analyse zwischen Phänomen und Begriff, hrsg. v. Oliver Schwab-Felisch, Michael Polth und Christian Thorau, Stuttgart 2000, S. 199–217.20 Verf., Metapher und Variation. Referenztheoretische Grundlagen musikalischer Metaphorizität, in: Zeitschrift für Semiotik 25 (2003), H. 1–2, S. 109–124.21 Vgl. Verf., Vom Klang zur Metapher: Perspektiven der musikalischen Analyse. Hildesheim 2012 (im Druck), zgl. Habilitationsschrift TU Berlin 2010, dort S. 56–64.