284 Christian Thorau Im Aspekt des Konfikts wird der innere Motor von Metaphorizität charakterisiert, jene Dynamik, die das Aufeinanderbeziehen von zwei Zeichenkomplexen motiviert. Ausgangspunkt des Konfikt-Begriffes in der heuristischen De nition ist jene para-dox erscheinende Bedingung, die Goodman im Blick auf Variation in der Musik und in anderen Künsten formulierte: dass metaphorische Bezugnahme eine Bezugnah-me der » kontrastiven Exempli kation « ist, eine anschauliche bzw. sinnliche Bezug-nahme sowohl über gemeinsame als auch über nicht-gemeinsame Merkmale.28 Im Unterschied zum Ansatz von Lakoff/Johnson, der grundsätzlich die gemeinsamen, übertragbaren Merkmale fokussiert, lege ich den Akzent besonders auf die Beleuch-tung der Gleichzeitigkeit von Ähnlichkeit und Differenz, auf die spannungsvolle (und labile) Balance zwischen Anziehung und Widerstand – vor allem deshalb, weil damit die spezi sch ästhetische Relevanz der Metapher besser für musikanalytische Fragestellungen genutzt werden kann. Metaphorizität als Kategorie in das musik-analytische Vorgehen zu integrieren, kann dann heißen, die Konfikte innerhalb ei-nes Zeichengebildes oder zwischen Zeichenkomplexen besonders bewusst zu ma-chen, sei es in der Abweichung von Regeln, Mustern und Topoi, in Kontrast- oder Variationsverhältnissen, in der Differenz der Bezugnahmeweisen von Exempli kati-on und Denotation oder in dem Rekurs auf die buchstäblichen (bzw. weniger meta-phorischen) Klangeigenschaften, der für einen wissenschaftlichen Zugang typisch ist. Musikanalyse wird dann methodisch als beschreibendes, interpretierendes und wiederum Metaphern-basiertes Labeling durchschaubar, das selbst an der Erzeu-gung von Metaphorizität Anteil hat.In diesem Zusammenhang ist schließlich die Bewegung von zentraler Bedeutung. Sie umschreibt das kreative, nicht xierbare und nicht ersetzbare Element von Meta-phern bzw. Metaphorizität. Nicht xierbar sind die semiotischen Prozesse, die Me-taphern anstoßen, insoweit, als sie eben keine Festlegung auf eine neue, dritte Ge-samtbedeutung zulassen, die sich als Resultat aus der Interaktion der beiden Impli-kationssysteme ergäbe (wie in Hattens neuen, zusammengesetzten Bedeutungen oder im » blended space « eines CIN). Die ›Drittheit‹ von Metaphorizität sollte eher als eine Interpretationsbewegung charakterisiert werden, die durch Paraphrase und Analyse wiederum nur temporär xiert wird. In dem In-Bewegung-Halten der In-teraktion, in der Erzeugung und nicht in der Reduktion von Metaphorizität besteht eine wichtige, wenn nicht gar die zentrale Orientierungsgröße für analytische und hermeneutische Zugänge zu Musik. In einer solchen durch die vielfältige Meta-phernforschung des 20. Jahrhunderts vermittelten Einsicht – dass Metaphorizität weniger einen Widerspruch zur Wissenschaftlichkeit musikanalytischer Arbeit dar-stellt, sondern eher ihr Desiderat – liegt vielleicht der größte Gewinn einer Adaption von Metapherntheorie zu einem musikologischen Refexionsmodell.28 In den Metapherntheorien hat der Konfikt-Aspekt eine lange Tradition, die hier nicht ausgeführt wer-den kann. Er wurde als Abweichung, Regelverletzung und Figur beschrieben, als Unsinn, Falschheit, Paradoxie oder Absurdität der buchstäblichen Aussage oder bei Ricoeur – am nächsten zu Goodmans Konfiktbegriff – als jene Spannung zwischen der metaphorischen und der buchstäblichen Interpreta-tion eines Satzes, die für eine » lebendige Metapher « charakteristisch ist, vgl. Paul Ricoeur, Die lebendi-ge Metapher. Übergänge: Texte und Studien zu Handlung, Sprache und Lebenswelt, München 1986, S. 182ff.