318 Jürgen Oberschmidt » strenggenommen « Begriffe seien und es überhaupt sinnvoll sei, Metapher und Be-griff in Opposition zu setzen.32 Auch wenn man sich gegen jene radikalen Lesarten wendet, bleibt die Notwen-digkeit einer Erweiterung des begriffichen Paradigmas: » Muß es unter all diesen Bedingungen nicht Teil unserer intellektuellen Tagesordnung werden, die begriffs-geschichtliche Praxis nun endlich durch Metaphorologie abzulösen oder zumindest zu ergänzen?« 33 Hans Ulrich Gumbrechts einleitend beschriebener Arbeitsplatz wird nach Drucklegung seines Beitrages 34 inzwischen eine Bereicherung erfahren haben: Das Wörterbuch der ästhetischen Grundbegriffe ist inzwischen auf sieben Bände ange-wachsen, im Band der Supplemente ndet sich auch ein nachgereichter Artikel Me-tapher/metaphorisch, in dem zunächst » die ästhetische Karriere der Metapher « 35 hin-terfragt und das angekündigte Aufsprengen einer Begriffsgeschichte vollzogen wird, wenn man einerseits die Metapher als Begriff verhandelt und gleichzeitig an-erkennt, dass grundsätzlich metaphorisch gesprochen wird: » Dafür steht hier der gleichsam als Bruch geschriebene Eintrag ›Metapher/metaphorisch‹. Angesichts des problematischen Zusammenhangs von Metapher und Begriff weist er auf das Wech-selspiel hin, das zwischen dem Begriff der Metapher einerseits und der Metaphorik oder Metaphorizität von Rede- und Verfahrensweisen andererseits besteht.« 36 Längst versteht sich Metaphorologie, nicht als dienstbare Magd der Begriffe,37 son-dern als eigenständiges Projekt. Auch in Gumbrechts Bücherschrank wird – wenn auch vergleichsweise unscheinbar – das Wörterbuch der philosophischen Metaphern sei-nen blauen Buchrücken gegen die Übermacht des zwölfbändigen Wörterbuchs der philosophischen Begriffe stemmen.Plädoyer für ein Wörterbuch der musikalischen Metaphern In diesem Wörterbuch philosophischer Metaphern sind jene » Titelmetaphern « 38 ver-sammelt, die Einsichten in eine Welt des Denkens gewähren, die hinter den etablier -ten Begriffen stehen. Gemeint sind jene eingesenkten Bilder, die das Denken leiten, die auch ihre eigene Geschichte haben und geprägt sind von sich historisch wan-delnden oder in sich konstanten Bildvorstellungen. Auch in der Musikwissenschaft geht es inzwischen mehr und mehr darum, Blumenbergs Programm ernst zu neh-men und der Hintergrundmetaphorik, also jenen Metaphernfeldern, auf denen sich auch die Sprache der Terminologie bewegt, nachzugehen:39 » Metaphorik kann auch dort im Spiel sein, wo ausschließlich terminologische Aussagen auftreten, die aber 32 Jacques Derrida, Die weiße Mythologie. Die Metapher im philosophischen Text, in: Ders., Randgänge der Philosophie, Wien 1988, S. 205–258, hier S. 252.33 Gumbrecht 2006, wie Anm. 1, S. 35.34 Ebd., siehe Anm. 1.35 Stefan Willer, Art. Metapher/metaphorisch, in: Ästhetische Grundbegriffe, hrsg. von Karlheinz Barck et al., Stuttgart 2005, Bd. 7, S. 89–147, hier S. 89.36 Ebd., S. 89.37 Blumenberg 1999, wie Anm. 13, S. 13.38 Konersmann 2007, wie Anm. 27, S. 15.