Aufstieg und Fall des begriffsgeschichtlichen Paradigmas 323 Hier hat sich oft Ausdruck verschafft, was in der starren Architektonik der Syste-me kein Medium fand.« 69 Deutlich wird dies gerade in Gülkes Beschreibung des Finalbeginns, » Symbol der Ankunft « 70 , jenes » Rundgesangs « 71 , der den Weg beendet erscheinen lässt:Er komponiert keine arbeitende, Konfikte bewältigende Durchführung, son-dern mehr eine Expansion schon vorhanden gewesener Elemente. Formal ge-sehen gehört so etwas eher in eine Coda. Nach dieser Kulmination die Themen in der Reprise als wiedergewonnen, als Ergebnis zu präsentieren wäre wider -sinnig. Vor allem von hier aus mag jene überraschende, schon von Zeitgenos-sen bestaunte und bewunderte Einblendung der Scherzo-Reminiszenz moti-viert sein, welche überdies noch einmal die rhythmische Grundformel und die durchlaufende Wegstrecke vergegenwärtigt. Es hieße die Möglichkeiten der Musik zu solcher Vergegenwärtigung unterschätzen, sähe man in dieser Repri-se die Zwänge zu musikalisch-formaler Stimmigkeit obsiegen gegenüber dem Tatbestand, daß ein Durchbruch wie derjenige zum Finale nur einmal erfolgen kann. Dies – übrigens bei der Vermeidung der Expositionswiederholung gewiß noch seriöseste – Argument simpli ziert die Musik Beethovens auf eine bloße Abbildlichkeit herunter, die ihr, bei aller noch so konkreten ideellen Program-matik, nicht eignet.72 Gülke stellt sich hier gegen das Bild im Sinne einer » bloßen Abbildlichkeit « . Viel-mehr erweist sich hier die Weg-Metaphorik als unumgänglich, nicht ersetzbar. Als » absolute Metapher « stellt sie sich sinnstiftend in den analytischen Prozess, bietet sie die Nährlösung für ein Denken in verschiedene Richtungen, relativiert die Un-terscheidung zwischen Inner- und Außermusikalischem und steht mit dem Begriff auf gleicher Höhe. Musikalische Topoi zwischen den Systemen In der Analyse des Konzertsatzes von C. Ph. E. Bach konnte gezeigt werden, wie das einmalige musikalische Kunstwerk die Konventionen analytischer Modelle und be-grifficher Konzepte aufbricht. Die Rede war hier von Modellen, die sich einzig auf eine abstrakte Struktur beziehen. Die Vision eines Wörterbuches der musikalischen Metaphern und einem ersten Anstoß zur Wegmetaphorik hat uns zu Überlegungen geführt, dass Satzmodellen » immer auch zugleich geschichtlich gewachsene Seman-tik anhaftet.« 73 Hartmut Fladt bevorzugt hier die Bezeichnung » Topos « und propa-giert eine verbindliche Bindung von Struktur und Bedeutung. Auch John Leigh 69 Hans Blumenberg: Licht als Metapher der Wahrheit. Im Vorfeld der philosophischen Begriffsbildung, in: Ders., Ästhetische und metaphorologische Schriften, Frankfurt a. M. 2001, S. 139–171, hier S. 139.70 Gülke 2000, wie Anm. 57, S. 185.71 Ebd., S. 182.72 Ebd., S. 182.73 Hartmut Fladt, Modell und Topos im musiktheoretischen Diskurs. Systematiken / Anregungen, in: Mu-siktheorie (20) 2005, 343–369, hier S. 343.