324 Jürgen Oberschmidt spricht von » musikalischen Topoi « , wenn er in seiner » multidimensionalen Sicht-weise « 74 den musikalischen Gegenstand aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und sich auf diese Weise von jenem xierten Zusammenhang zwischen Struktur und Bedeutung löst.75 Letztlich sind es jene Hintergrundmetaphern, in denen sich die » Struktur des Denkens « ihren sprachlichen Ausdruck verschafft. Diese theorie-konstitutiven Metaphern fügen sich in einen fest zuschreibbaren Theoriekontext, der Musik architektonisch, energetisch, als Sprache oder organisches Wesen fasst und auf diese Weise eine Verbindung zwischen den theoretischen Strukturen und dem empirischen Bereich erst bewerkstelligt:Das folgende Beispiel, ein Siziliano von Mozart (KV 331), kann man aus unter-schiedlichen formalen Perspektiven betrachten:Notenbeispiel: Wolfgang Amadeus Mozart: Klaviersonate A-Dur, KV 331, 2. Satz Architektonisch: Wie ein klassisches Bauwerk sind die ersten acht Takte von Mo-zarts KV 331 symmetrisch gebaut. Sowohl die Motivwiederholung in T. 5 als auch die Schlussbildungen in den Takten 4 und 8 verleihen ihnen ein architektonisches Gleichgewicht.Organisch: Die ersten vier Takte erwachsen aus einem einzigen Keim. Die Töne des Anfangsmotivs, cis-d-cis-e, entfalten sich immer weiter zu einem organischen 74 John Leigh, Formale Topoi, in: Clemens Kühn, Musiktheorie unterrichten – Musik vermitteln, Kassel u. a. 2006, S. 204–208, hier S. 205.75 Hierzu: Hans Aerts, Modell und Topos in der deutschsprachigen Musiktheorie seit Riemann, in: Zeit-schrift der Gesellschaft für Musiktheorie 4/1–2 (2007), S. 143–158. Der Autor schließt mit einem Fazit, das hier auch als weitere Argumentationshilfe gelesen werden möchte: » Um den Anspruch einer Verbin-dung von systematischen und historischen Gesichtspunkten im musiktheoretischen Denken gerecht zu werden, müsste einerseits weiter über einen theoretisch klar fundierten und möglichst vollständi -gen ›Katalog‹ von Satzmodellen nachgedacht werden; andererseits verdient, damit Aussagen über his-torische Beziehungen möglichst konkret werden, die Frage nach kompositions- und theoriegeschicht -lichen Traditionszusammenhängen unvermindert Beachtung. Die Beschreibung historischer Verände-rungen im Modellrepertoire und der jeweils werk- oder stilspezi schen Einbindung von Modellen in größere musikalische Zusammenhänge sind ebenfalls Aufgaben, deren weitere Bearbeitung wertvolle Erkenntnisse verspricht.«