Aufstieg und Fall des begriffsgeschichtlichen Paradigmas 325 Ganzen: zuerst in der Sequenzierung von T. 2, dann als Terzzug von cis (T. 1), h (T. 2), zum a (T. 3) und schließlich in der Umkehrung a-h-cis in T. 3–4.Dramatisch: Bei diesem Beispiel handelt es sich nicht um die große Gebärde einer Tragödie, sondern um subtile Gesten eines Schauspielers. Seine Hand öffnet sich ganz durch eine vom Ellbogen ausgehende Kreisbewegung nach vorn.Dialektisch: Die Harmonik in T. 1 bildet eine Thesis; die Dominantisierung in T. 2 stellt ihr eine Antithesis entgegen. Die Synthesis wird durch die Weiterführung der Motivik und die Versöhnung der vollständigen Kadenzharmonik in den Takten 3–4 vorübergehend erreicht.Rhetorisch: Nach der initialen Hebung des Anfangs setzt sich das jambische Grundmetrum als einheitliches Prinzip durch. Nach dem ersten und zweiten Takt könnte man ein kleines Komma setzen, bei dem Quintabsatz in T. 4 ein Semikolon. Die Klangfüße des ersten und zweiten Taktes werden in den Takten 5 und 6 wieder angebracht.76 Musiktheoretische Konzepte und ihre sprachlichen Metaphern geben Aufschluss über eigene Wertvorstellungen und Erkenntnisinteressen: » The models we choose for our characterization of music tell us least as much about ourselves as they do about music.« 77 Für Robert Schumann sollte das » Mechanische « als bloßes Mittel zum Zweck auch im Reden über Musik verborgen bleiben, während das Hervorhe-ben einer wohlstrukturierten Ordnung in Anton Weberns Beethovenanalysen eine besondere Wertschätzung erfährt, das Denken über Musik festigt und dass eigene Schaffen rechtfertigt: » ›Alles thematisch, nichts zufällig‹, darf man als sein eigenes kompositorisches Credo lesen, das er in Beethovens Musik suchte und […] fand.« 78 Musikalische Analyse im Reservat der Begriffe und Strategien ihrer Bewältigung Bereits die griechische Rhetorik kennt die metaphorische Verfremdung, wenn die Sprache sich durch Ornamente und bloßen Redeschmuck ziert: » Der Redner läßt seine Kunst glänzen, und die Rede benötigt mangels spannenden Inhalts zusätzli-chen Aufputz.« 79 Erinnert sei hier auch an eine Rezension Immanuel Kants, der sei-nem Schüler Herder vorwirft, » den Körper der Gedanken unter einer Vertugade zu verstecken « , statt ihn wie unter einem durchscheinenden Gewande angenehm her-vorschimmern zu lassen.« 80 Auch diese Kleiderordnung, die sich gegen Herders all-zu poetische Anmutungen wendet und auf diese Weise das Zusammenspiel von Metapher und Begriff zu regeln sucht, geht davon aus, dass Metaphern einen äuße-ren, schmückenden Zusatz darstellen, die einen unvermittelten Zugang zu den ei-gentlichen Gedanken eher erschweren oder gar unmöglich erscheinen lassen.76 Leigh 2006, wie Anm. 74, S. 204. 77 Zbikowski 2002, wie Anm. 47, S. 324.78 Clemens Kühn, Musiktheorie unterrichten – Musik vermitteln. Erfahrungen – Ideen – Methoden, Kassel 2006, S. 65.79 Werner Eisenhut, Einführung in die griechische Rhetorik und ihre Geschichte, Darmstadt 1974, S. 83.80 Zit. nach Konersmann 2007, wie Anm. 27, S. 9.