326 Jürgen Oberschmidt Ein Reden über Musik, das sich dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit ver-pfichtet fühlt, habe sich in ähnlicher Weise kantig-scharf vorzustellen. Es solle sich hüten, sich derartiger, vermeidbarer Versündigungen zu bedienen und diese selbst-verordnete Trennlinie zu allzu bildlichen Sinnzuschreibungen zu missachten. Meta-phorische Umschreibungen dienen hier lediglich der Illustrierung des Begriffs, selbst Hans Blumenberg hat das Verhältnis der Metapher zum Begriff zunächst noch » als ein solches der Dienstbarkeit « 81 bestimmt. Ein Reden jenseits der Begriffe ndet hier allenfalls im Schonraum der Anfüh-rungszeichen ihren Platz, etwa wenn im Zusammenhang von technischen Beschrei-bungen von » pochenden « Begleit guren oder der » unerhörten « Wucht einer Sym-phonie gesprochen wird.82 Ein metaphorischer » Aufputz « , der durch diese typogra-phischen Vorkehrungen vom Eigentlichen getrennt erscheint und hier auch keine Emulsion mit dem » eigentlichen « Text eingehen soll: Die Sprache der Emp ndung bleibt ein hinzugefügter Tropfen Öl, der mangels Emulgator auf der steril-begriffi-chen Oberfäche schwimmt. Es sind dies notwendig erscheinende Vorsichtsmaßnahmen, um sich nicht vom eigentlich » spannenden Inhalt « mitreißen zu lassen, die eigene Sprache reinzuhal-ten, eine Infektion des Textes vor den Ornamenten einer bloßen Entdeckungs- und Erläuterungssprache und den Zudringlichkeiten jener semantischer Konnotationen zu schützen, zu denen die Sprache der musikalischen Analyse im Zuge des sym-phonischen Reinheitsgebots ein besonders angespanntes Verhältnis pfegt. Der ei-gentlich » spannende Inhalt « einer Musik bewegt sich jedoch jenseits dessen, was den Begriffen zugänglich ist und in einer Analyse zumeist ausgespart wird. Und doch werden auch musikliterarische Zitate aus vergangenen Zeiten gerne aufgegriffen. Die ihnen zugrunde liegenden analytischen Strategien werden zwar fundamental abgelehnt, ihren Verlockungen möchte man sich aber dankend und gerne bedienen. Ein refexiver Kunstgriff, um in einer kühlen, satztechnischen Ana-lyse wenigstens Spuren der Sinnlichkeit anklingen zu lassen und den musikalischen Gegenstand mit Hilfe einer poetisierenden Sprache zumindest in die Nähe seiner ei-gentlichen klingenden Bestimmung zu rücken – zumal hier quasi en passant noch ein Stück Rezeptionsgeschichte aufgearbeitet werden kann. Selbst diese poetischen Umschreibungen und verbotenen Bilder, die jenseits des kühlen analytischen Bestecks Emotionen einfangen und in Metaphern gefasst wer-den, erfolgen hier also unter einem wissenschaftlichen Deckmantel, dem der Rezep-tion:83 Auf diese Weise gelangt in den wissenschaftlichen Diskurs zurück, was durch ein begriffiches Raster fällt und nur » in Bilder verkleidet « 84 mitgeteilt wer-den kann.81 Blumenberg 1999, wie Anm. 13, S. 13. Hierzu auch Gabriel 2009, wie Anm. 30. 82 Rainer Cadenbach, 5. Symphonie c-Moll op. 67, in: Beethoven. Interpretationen seiner Werke, hrsg. von Albrecht Riethmüller, Rainer Cadenbach u. Carl Dahlhaus, S. 486–502, hier S. 488 u. 489.83 Exemplarisch dargestellt in: Jürgen Oberschmidt, Meine Bilder sind (nicht) Deine Bilder. Gedanken zur Heterogenität innerer und äußerer Bilder in musikalischen Verstehensvollzügen, in: Heterogenität. Sitzungsbericht 2011 der Wissenschaftlichen Sozietät Musikpädagogik, hrsg. von Frauke Heß, Christian Rol-le u. Jürgen Vogt, Berlin 2012, im Druck. 84 Anil K. Jain, Medien der Anschauung. Theorie und Praxis der Metapher, München 2002, S. 51.