328 Jürgen Oberschmidt che versündigte und das literarische Sprechen aus dem wissenschaftlichen Diskurs verbannt wurde. 2.Inzwischen ist die gängige Unterscheidung zwischen wissenschaftlich-phi-losophischen und literarischen Texten, poetischem und philosophischem Bildgebrauch längst brüchig geworden: » Poetischer Bildgebrauch […] un-terscheidet sich von philosophischem Bildgebrauch dadurch, dass der phi-losophische Bildgebrauch eine Refexivität der Bilder enthält, der poetische dagegen auf sie verzichtet und verzichten kann.« 92 Künstler-Philosophen wie Friedrich Nietzsche verzichten auf diese refexive Exegese, sie legen wie ein Prosaschriftsteller neue Sichtweisen nahe, indem sie einprägsame Bilder statt überzeugende Argumente präsentieren. In den aphoristischen Texten sind Argumente in den Metaphern impliziert, müssen aus ihnen aber erst erschlossen werden. Eingespielte Vorstellungen der musikalischen Analyse sind in dem Moment in Tur-bulenzen geraten, wo sich neue musikalische Sphären etabliert haben: In den Vor-dergrund treten jene Eigenschaften, die sich nicht durch das Ausmessen der Para-meter klassi zieren lassen. Gerade Musik, die ein subjektives Ausdrucksbedürfnis in den Mittelpunkt stellt, transportiert etwas, was wir nicht in gewohnter Weise in distinguierte Begriffe fassen können, sondern nur (sprachlich) begreifen, wenn wir es mit reichen Metaphern umstellen. Wolfgang Rihm etwa benutzt für die Beschrei-bung seines eigenen Kompositionsprozesses innovative metaphorische Vorstellun-gen, bedient sich Konzepten aus dem Bereich der bildenden Kunst, wenn er von » Übermalung « oder Bildhauerei spricht: » Ich habe die Vorstellung eines großen Mu-sikblocks, der in mir ist. Jede Komposition ist zugleich ein Teil von ihm, als auch eine in ihn gemeißelte Physiognomie.« 93 Peter Gülkes Beethoven-Analyse hat sich der Metapher der Tonwanderung be-dient und enthält – ganz im Sinne der beschriebenen philosophischen Metapher – eine argumentative Entschlüsselung der Bilder in Form einer refexiven Anbindung. Seine Auslassungen zu Debussys Prélude à L’Après-Midi d’un Faune verzichten auf diese Refexivität und stärken andere Züge, nämlich ihre Poetizität und Produktivi-tät der Bilder.94 Hier soll nun seine Analyse abschließend versöhnlich dafür eintre-ten, dass Metapher und Begriff, nüchternes Sezieren und das Verbleiben im spekula-tiv Ausdruckshaften, sich nicht alternativ gegenüberstehen, sondern dass es gelin-gen kann, das scheinbar Unsagbare, das im Denken ruht, mit Sprache zum Vor-schein zu bringen:92 Taureck 2004, wie Anm. 62, S. 19.93 Wolfgang Rihm: Ausgesprochen, Mainz 1998, Bd. 1, S. 114 94 Hierzu Taureck 2004, wie Anm. 64, S. 19ff.