- 119 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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Die Wahl der Musik Grappellis traf Malle bereits beim Schreiben des Drehbuchs. Zunächst fertigte der Regisseur eine Collage älterer Aufnahmen des Musikers an, die er dem Film unterlegte. Dennoch war zunächst keineswegs klar, dass überhaupt Musik verwendet werden sollte, wie die Kommentare Emmanuelle Castros belegen:

»Dans Milou en mai, le travail sur la musique a été très très long, dans ce sens que, d’abord c’était un film qui pourrait peut-être se passer complètement sans musique, en même temps on avait envie qu’il y en ait, on se demandait s’il devait y en avoir tout le temps etc.«293

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»In Milou en mai war die Arbeit an der Musik ein langwieriger Prozess in dem Sinne, als dass es sich zunächst einmal um einen Film handelt, der völlig ohne Musik auskommen könnte, während wir zugleich Musik haben wollten; wir überlegten, ob die Musik die ganze Zeit erklingen sollte und so fort.« (zit. n. Le bon plaisir)

Castro spricht den Theatercharakter des Films an, der stellenweise an ein Ensemblestück à la Tchechow erinnert. Vergleicht man die Filmhandlung mit der eines Theaterstücks und setzt man den Film in Bezug zu den beiden ›Theaterfilmen‹ Malles My Dinner With André und Vanya on 42nd Street, in denen fast gar keine Musik erklingt, so erscheint die Überlegung des Aussparens von Musik plausibel. Dennoch verzichtete Malle (wohl auch genrebedingt) nicht auf sie. Letztendlich fiel die Wahl dann auf Grappelli, der von den von Malle ausgewählten Stücken ausgehend neue Songs einspielte.

Unterschieden werden muss zwischen eigenen Kompositionen und Bearbeitungen bereits vorhandener Stücke wie der Internationalen, des Schlagers La fille du bédouin und des Tiger-Rag. Auf diese Interpretationen wird an späterer Stelle noch detaillierter einzugehen sein; die Eigenkompositionen lassen sich stilistisch in drei Subgruppen aufteilen: Stücke im Swing-Gestus (z. B. Milou, Adèle, Départ, Bicyclette), Stücke, die sich am Bluesschema orientieren (Georges, Blues de la pluie) und Fragmente (Fly-tox, Rivière). Stilistisch weicht der Walzer Valse du passé vom Rest der Kompositionen ab.

Die Musik Grappellis dient in den meisten Fällen der Personen- und Situationszuordnung. Wie bereits einige Titel andeuten, werden einzelne Figuren musikalisch charakterisiert. Milou beispielsweise, ein schneller Swing, scheint durch seine heitere musikalische Sprache (vgl. Transkription) dem Gemüt des Milou zu entsprechen.



Die Komposition ist weitestgehend auf einer 6-2-5-1-Progression aufgebaut, zu der die Geige mit Bluenotes improvisiert. Gerade im Vorspann korrespondiert die Musik mit der Frühlingsatmosphäre und dem mit sich und der Welt zufriedenen Milou, der mit dem Fahrrad zum Mittagessen fährt.294

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Malle scheint sich an dieser Stelle selbst zu zitieren, vergleicht man diese Anfangsszene von Milou en mai mit dem Vorspann von Lacombe Lucien. Hier erklingt der Minor Swing, ebenfalls mit Grappelli (und Django Reinhardt) und ebenfalls, während der Protagonist Fahrrad fährt.


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