der Welt; während dreier
Wochen gehen die Radfahrer nahezu täglich an die Grenzen ihrer physischen und
psychischen Belastbarkeit. So zeigt Malle die alimentären Bedürfnisse der Fahrer, die
Gefahren und Verletzungen bei einem Massensturz, die Auswirkungen von Doping und
die unmenschliche Härte der Bergetappen. Vor allem aber werden in dem Film der
selbstzerstörerische Wille und die Einsamkeit der Fahrer, die während des Rennens
letztendlich auf sich selbst gestellt sind, deutlich.
Ronald T. Rollet teilt den Film in zwei große Abschnitte ein. Teil 1 zeigt
den Beginn des Rennens, während der zweite das Leiden in den Bergetappen
thematisiert.384
Die beiden Teile unterscheiden sich durch den Wechsel der Atmosphäre. Zunächst
(S 1–11) bestimmt eine erwartungsvoll-begeisterte Stimmung den Film; die
Zuschauer halten gespannt Ausschau nach den Athleten, es herrscht »holiday
atmosphere«.385
Malle zeigt anschließend humorige Szenen der Essens- und Trinkensbeschaffung der
Fahrer (S 6–7), welche sich sogar während der Fahrt erleichtern. Erste Anzeichen für
einen Stimmungsumschwung deuten die ausgezehrten und erschöpften Gesichter der
Fahrer nach einem Endspurt am Schluss einer Etappe an (S 9).
Der zweite Teil beginnt mit einer Massenkarambolage (S 12) und zeigt die Folgen:
Trotz Verletzungen zieht es die Fahrer wieder auf das Rad, um die verlorenen
Minuten aufzuholen; die schwerer Verletzten werden jedoch mit dem Hubschrauber
abtransportiert, wobei das Leid der Fahrer deutlich wird (S 13). Im Folgenden nimmt
die Tragik des Rennens zu; die Kamera verfolgt einen entkräfteten Gedopten bei einer
aussichtslosen Aufholjagd bis zu seinem Kollaps und Abtransport (S 15–19). Die
folgende, letzte Sequenz zeigt die Bergetappen und die Schwierigkeiten bzw. Gefahren,
bis der Film mit einer (imaginären) Vorausschau auf das Siegertreppchen endet
(S 20–23).
Philip French nennt Vive le tour! einen »impressionistischen
Dokumentarfilm«386
und spielt damit offensichtlich auf die subjektive Darstellung des Tourgeschehens
an. Sowohl Bild- als auch Tonebene zeugen von der Intention des Regisseurs,
die Härte, aber auch die schönen Momente des Radsports sehr plastisch zu
vermitteln. Die Montage als bewusstes, künstliches Gestaltungsmittel spielt in
diesem Film eine weitaus größere Rolle als später in den Filmen über Indien.
Bereits die klare, lineare Struktur des Films ist ein Indiz hierfür. Vor allem in
den Anfangssegmenten versucht der Regisseur mittels gezielter Montage, die
Stimmung und die Spannung zu Beginn des Rennens einzufangen. Bevor der
erste Radfahrer zu sehen ist, zeigt Malle nach der rasanten Einfahrt in ein Dorf
das erwartungsvolle, bunt gemischte Publikum und Reklamefahrzeuge, von
denen er teilweise nur Details wie beispielsweise skurrile Aufbauten einfängt.
Alle Elemente der Filmgestaltung, vor allem der Ton, der von Zuschauerlärm,
Lautsprecherdurchsagen und Verkehrsgeräuschen gekennzeichnet ist, lenkt die
Aufmerksamkeit und die Spannung des Filmbetrachters auf die Fahrer, die in Segment 4
auftauchen. Georges Delerue komponierte für die Anfangssekunden des Films
einen Marsch, der mit der Stimmung im Publikum korrespondiert. Die Musik
weicht anschließend den Geräuschen, die das allgemeine Durcheinander der
»Zirkusatmosphäre«387
Malle in French (1998), S. 66
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wiedergeben. Im Folgenden wechselt der
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