- 20 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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Durch die Fokussierung auf das Klangideal der gestopften Trompete erreicht Davis trotz unterschiedlicher Stile (Hard Bop/Cool Jazz) eine hohe atmosphärische Geschlossenheit. Sowohl in den Cooljazz- als auch in den stilistisch abweichenden Hard Bop-Stücken wird dem Rezipienten keine Entspannung, bzw. kein einer harmonischen Welt und Situation entsprechendes Idiom offeriert – vielmehr schwankt die durch die Musik ausgedrückte Atmosphäre zwischen einer Hektik, die Ungutes vermuten lässt (in den Hard Bop-Stücken), Trostlosigkeit und Verlorenheit (Kategorie a)) und erstickender Einsamkeit, teilweise verbunden mit Spannungsentwicklung (Kategorie b)).

Funktional dient die Musik neben dem Schaffen der entsprechenden Atmosphäre der Abtrennung der alternierenden Handlungsstränge. Malle ordnet bewusst den drei verschiedenen Orten und Personenkreisen drei verschiedene musikalische Kategorien zu, die sich aber dennoch wie oben angesprochen durch gemeinsame musikalische Merkmale verbinden lassen. Des Weiteren setzt Malle die Musik bei der Spannungsgestaltung ein, wobei die tiefen Frequenzen des Kontrabasses und die Akzente des Schlagzeugs wesentliche Elemente dieser Dramaturgie darstellen. Deren aus der kleinen, kammermusikalischen Besetzung resultierenden Originalität wird vor allem deutlich, wenn man die musikalische bzw. Sounddesign-Gestaltung ähnlicher Szenen in Filmen wie Abwärts (D 1984, R: Carl Schenkel) oder Speed (USA 1995, R: Jan de Bont) hinzuzieht. Abgesehen davon, dass sowohl die technischen Möglichkeiten als auch die filmische Ästhetik zur Zeit des Malle-Films gänzlich andere waren, so belegt die Musik in Ascenseur pour l’échafaud dennoch, wie mit wenigen Mitteln ein großer Effekt geschaffen werden kann.

Abschließend sei die Frage behandelt, in welchem Maße die Musik im Film Ascenseur pour l’échafaud den Filmbetrachter beeinflusst und konditioniert oder ob sie Malles Forderungen nach einer Kontrapunktierung der visuellen Schicht entspricht.

Der hohe Stellenwert der Musik im Film ist an mehreren Stellen deutlich geworden; die Fokussierung der Tonebene auf den Trompetensound von Davis und die Wiederholung ähnlicher Phrasen und Motive lenkt verstärkt die Aufmerksamkeit des Filmbetrachters auf die durch die Musik vermittelte Atmosphäre und Stimmung. Der dramaturgisch eingreifende Charakter der Musik zeigt sich in Malles Zitat (s. o.), welches besagt, dass der Film ohne die Musik eine gänzlich andere Wirkung habe und sogar in erheblichem Maße von seiner Qualität einbüße. Vielerorts wird die Solotrompete als eine Weiterführung der inneren Stimme der Florence gedeutet:

»Nach ihm [Julien], dem Eingeschlossenen, sucht Florence die ganze Nacht in den Bars und Kneipen der Stadt, in einem somnambulen inneren Monolog seine Gegenwart beschwörend. Und wenn sie verstummt, scheint die Musik von Miles Davis ihr Selbstgespräch fortzusetzen [...]«44

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Visarius, Karsten: »Fahrstuhl zum Schafott«. In: epd Film 11/89, S. 33

Der Trompetenklang samt Gestus und Atmosphäre ist demnach untrennbar mit der Filmhandlung verbunden, was zeigt, dass er die Rezeption des Films nachhaltig


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