- 65 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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Eine interessante Nebennote stellt Take 38 dar, wenn auf das Gounodsche Ave Maria angespielt wird, zumal auch schon vorher visuell Spott und Kritik an der Kirche geübt worden ist, wenn Kinder vor Abbildungen der Marias beten oder die Parallele Jesus-Florès deutlich wird: »Wie die Gottesmutter Maria ›die erste war, die Christi Leben in ihrem Leben nachbildete‹, so bilden Malles Marien das Leben der kreuzartig an den Blaken gefesselten Rebellen in ihrem Dasein nach.«156

156
Bastian (1966)

Delerue bedient sich über weite Strecken der Partitur bekannter Klischees. Wenn der Wagentreck durch Mexiko rollt, erklingt eine sehr vertraut wirkende Melodie (t 11, 14), mit der automatisch das Westerngenre assoziiert wird (der Wechsel von Tonika und Subdominant mit Sext kommen ebenfalls im Vorspann von Zazie dans le métro vor). Der Triumphgestus des Revolution March ist ein musikalisch ebenso eindeutig beschriftetes Zeichen. Zudem verwendet der Komponist harmonisch und durch die Instrumentation (die Trompeten erinnern an mexikanische Mariachi) klischeehafte Wendungen, die in der Vorstellung des Filmbetrachters die Begriffe ›Mexiko‹ oder ›Spanien‹ evozieren sollen. Somit entspricht die Musik den Äußerungen Enno Patalas, der Viva Maria mit Filmen vergleicht,

»die weniger die ›wirkliche Wirklichkeit‹ wiederzuspiegeln vorgeben, als dass sie Vorstellungen von ihr, auch filmische, interpretieren. Ein Film über mexikanische Revolutionen der Jahrhundertwende ist Viva Maria nur insofern, als er Malles Desinteresse an denselben reproduziert. Was er zeigt, sind Vorstellungen, Kinovorstellungen von mexikanischen Revolutionen [...]«.157

157
Patalas, Enno: »Viva Maria«. In: Filmkritik 3/66, S. 148–150, hier S. 149

Ebenso spielt die Musik auf die gängigen Vorstellungen der Zuschauer an. Wo die Musik wie ein Klischee wirkt, wird nicht klar, inwieweit der Film als Parodie gemeint ist oder versucht, dem Hollywood-Western nachzueifern (der Film zielte durch die Besetzung, das Budget und den Werbeaufwand eindeutig auf das amerikanische Publikum). Diese Reminiszenz (vielleicht sogar Hommage?) an das amerikanische Kino kritisiert Patalas, indem er dem Film, dessen Qualität sich seiner Meinung nach »ebenso sehr durch die Spanne, um die er Hollywood verfehlt, wie durch die Nähe zu ihm«158

158
Ebda., S. 148
definiere, eine klare, eigenständige Handschrift abspricht: »Schließlich trägt auch die Musik von Georges Delerue, der hier einmal weniger seine eigenen Partituren als die von Hollywoodfilmen, Westerns vor allem [. . . ], kopiert, dazu bei, dass man den Film als eine Montagekonstruktion aus Fertigteilen empfindet.«159
159
Ebda., S. 149

Die Musik kennzeichnet die Stimmung des Films. Von Prédal als »musique légère à la Offenbach«160

160
Prédal, René (1989), S. 68 (»leichte Musik à la Offenbach«)
bezeichnet, verwandelt sie den Film in eine Art Musical oder Nummernrevue, so dass sie durch ihre verströmende lockere Atmosphäre an mehreren Stellen zum unverzichtbaren Pfeiler der Gesamtdramaturgie wird. Darin wird allerdings auch deutlich, dass die von Malle verschmähte Paraphrasierung von Bildinhalten durch den Einsatz von stereotyper Musik und die damit verbundene mutmaßliche Manipulation des Zuschauers in diesem Film eine herausragende

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