- 68 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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des Second Empire oder die kristallenen Kronleuchter: Sie kennzeichnet den Status einer gesellschaftlichen Klasse und ist zugleich Ausdruck für deren Reichtum.

Musik als Kennzeichnung einer Beziehung

Neben den oben genannten Musiktakes im On wird im Film ein weiteres Klavierstück eingesetzt, welches jedoch im Off erklingt. Aufgrund des Verzichtes auf weitere dramaturgisch eingesetzte Musik kommt diesem eine besondere Bedeutung zuteil.

Es handelt sich um ein an die Miniaturen Erik Saties erinnerndes Stückfragment (das komplette Stück erklingt an keiner Stelle), aus welchem drei verschiedene Teile verwendet werden, die sich aber alle von der Melodieführung und vom Gestus ähneln. Der in der Tabelle mit Klavier II betitelte Ausschnitt hat den Charakter eines Hauptthemas. Er besteht aus einer Art Periode, welche in es-moll beginnt und auf dem Halbschluss die Subdominante (as-moll), bzw. deren Parallele (Ces-dur) erreicht, dann wieder nach es-moll zurückgeführt wird, wobei der letzte erklingende Ton jedoch dominantischen Charakter hat: das F im Bass wird nicht aufgelöst und lässt das Stück ›in der Schwebe‹.

Klavier II erklingt zunächst in Segment 9: Randal kommt nach Schul- und Militärausbildung zum Haus seines Onkels zurück um Charlotte zu heiraten, welche jedoch bereits einem Aristokraten versprochen ist. Die melancholische Stimmung des Klavierstücks entspricht der Tragik der Szene. Hervorzuheben ist die Präzision des Musik-Bild-Verhältnisses. Das dominantische F (s. o.) ertönt genau zwischen den Sätzen Charlottes »Je suis fiancée« und »Je vais me marier«; das Ausbleiben der Tonika es-moll deutet an, dass der Schritt zur Hochzeit in der Musik noch offengehalten wird; es ist ungewiss, ob die Heirat stattfinden wird. Gleichzeitig ahmt die Musik in gewisser Weise die Überraschung des perplexen Randals nach, dem der Atem stockt und auf diese Enttäuschung nichts erwidern kann.

Beim zweiten Erklingen des Stücks (Segment 62–63) sind die Ähnlichkeiten der Handlung eindeutig. Erneut kehrt Randal heim (dieses Mal in seine Wohnung in London) und erneut wartet Charlotte auf den Stufen des Hauses. An dieser Stelle wirkt die Musik jedoch kontrapunktisch zur Handlung, da sich beide über das Wiedersehen freuen. Somit dient die Musik dazu, neben der Anspielung auf die frühere Szene ein pessimistisches Licht auf die Liebenden zu werfen. In Segment 65, beim letzten Auftreten von Klavier II, erzählt Charlotte von Geneviève, nicht wissend, dass diese Randals Geliebte war. Nun sind die Rollen vertauscht: die Musik spiegelt gewissermaßen Randals Gedanken wider, der sich zweifelsohne der Enttäuschung in Segment 9 entsinnt.

Klavier I ist das erste Musiktake, es kennzeichnet deutlich die Liebe Randals zu Charlotte. Nachdem Randal den Hass auf seinen Onkel durch den Off-Kommentar ausgedrückt hat, setzt die Musik zu den Worten »Mais j’aimais Charlotte. Je m’étais juré de l’épouser.«165

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»Aber ich liebte Charlotte. Ich hatte mir geschworen, sie zu heiraten.«
ein. Die Musik fügt sich harmonisch in den Bildkontext ein. Die Rückblende auf die Kindheit wirkt wie ein ferner Traum, die Kinder spielen unbeschwert im sonnendurchfluteten Garten.


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