- 70 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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Die inhaltliche Verwandtschaft des Films mit Le Feu follet (Randal wird durch die Gesellschaft in sein Schicksal gedrängt; er hätte sich anders entwickelt, wenn sein Onkel ihn nicht betrogen hätte und er Charlotte hätte heiraten können) setzt sich auch auf musikalischer Ebene fort. Wie oben schon angedeutet, weisen die in Le Voleur montierten Stücke auf Satie hin. Auch sie haben jenes unbestimmte Treiben, jene melancholische Grundstimmung an sich, welche auch den Gymnopédies und Gnossiennes innewohnen. Somit zieht Malle eine Querverbindung zum früheren Werk und verrät dem Filmbetrachter frühzeitig das Scheitern des Protagonisten. Die gezielten Einsätze der Musik verleihen der Beziehung zu Charlotte besonderes Gewicht (in diesen Szenen verlässt Malle den dokumentarischen Stil ein wenig) und bilden somit einen akustischen Ausgleich zu dem ansonsten stark von den detailliert fotografierten Einbrüchen bestimmten Film. Bereits in Le Voleur findet sich somit die dokumentarische Tendenz, die später nach den Indienfilmen sowohl visuell als auch akustisch zu einem wesentlichen Bestandteil der Filme wird.

  William Wilson – Malles Versuch mit Neuer Musik

William Wilson ist eine von drei Episoden des Films Histoires extraordinaires (Außergewöhnliche Geschichten), dessen andere Teile von Roger Vadim und Federico Fellini verfilmt wurden und der auf Erzählungen von Edgar Allen Poe basiert.

Der Protagonist, William Wilson, trifft in drei Situationen auf seinen Doppelgänger, der ihn jeweils von einem Verbrechen abhält (Folter, Mord und Vergewaltigung). Nachdem das alter ego ihn des Falschspielens überführt hat, verfolgt er es und erdolcht es nach einem Fechtkampf, worauf es ihm den baldigen Tod voraussagt. Nachdem Wilson in einer Beichte vom Priester für einen halluzinierenden Alkoholiker gehalten wird, stürzt er sich verzweifelt vom Glockenturm, womit die Prophezeiung des Doppelgängers wahr wird.

Ähnlich wie im Film Le Voleur legt Malle die Erzählung als Rückblende an, die immer wieder von der Gegenwart (Wilson im Beichtstuhl) unterbrochen wird. Schon als Kind wird Wilson als autoritärer Sadist dargestellt, dessen Perversität sich mit zunehmendem Alter steigert, wenn er beispielsweise eine lebendige Frau sezieren will oder die Gräfin Giuseppina aus purer Lust am Quälen auspeitscht. Als er schließlich seinen Doppelgänger tötet, die »Personifizierung des schuldigen Bewusstseins«,166

166
Schmidt, Johann N.: »William Wilson«. In: Jens (1988), Bd. 13, S. 499
zerstört er sein eigenes Gewissen, was ihn anschließend zum Selbstmord treibt.

Malles Werk erntete 1968 fast ausnahmslos schlechte Kritiken. Ihm wurde stilistischer Klassizismus, langweilige Inszenierung und Fehlbesetzungen vorgeworfen. Malle selber distanzierte sich ebenfalls von diesem Werk, erkannte Brigitte Bardot als unpassend für die Rolle der Giuseppina und führte das Projekt lediglich durch, um eine Möglichkeit zu haben, Paris zu verlassen und Abstand zu seinen beruflichen wie privaten Problemen zu gewinnen. Malle beschreibt den Stil des Films als »froid comme un couteau«167

167
Mallecot (1978), S. 28
(»kalt wie ein Messer«) und als »sautillant, mais statique, impersonnel«168
168
Ebda., S. 29
(»sprunghaft [wohl teilweise auf die Kameraführung bezogen] aber

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