- 86 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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oder Ängsten und Gefühlen haben, die dem Filmbetrachter wieder präsent werden. Stilistisch kann der Gebrauch der Musik Wagners als eine Reminiszenz oder Hommage an die Filme Luis Buñuels angesehen werden, der für Un chien andalou (F 1928) ebenfalls Ausschnitte aus Tristan und Isolde verwendete und diese im Wechsel mit Tangos montierte.219
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Zudem erinnern die Großaufnahmen der Insekten in Black Moon an den Beginn von Buñuels L’âge d’or (F 1930), in dem er Skorpione filmt und in dem abermals Ausschnitte von Tristan und Isolde verwendet werden. Gerhard Wild spricht in seinem Aufsatz über die Musikbehandlung bei Buñuel im Zusammenhang mit der Musik Wagners und im Besonderen des Tristan-Akkordes von einer »akustische[n] Metapher unendlichen Begehrens« (Wild, Gerhard: »›Instrucciones para sonar – Instrucciones para soñar‹. Noten zur Musik bei Luis Buñuel«. In: Link-Heer, Ursula/Roloff, Volker: Luis Buñuel: Film-Literatur-Intermedialität. Darmstadt: Wiss. Buchges. 1994, S. 180–203, hier S. 195). Es ist zu vermuten, dass Malle diese Konnotation der Musik nutzen und somit eine Verbindung zu Buñuels Filmen wie auch zum Opernkontext schlagen wollte.

Die artifiziell montierten Geräusche tragen zwar zur Atmosphäre des Films bei, lassen jedoch keine tiefere Bedeutungsebene erkennen (abgesehen von den bewusst verstärkten Insekten). Eventuell könnte eine genauere Analyse in Form einer Geräuschpartitur über die genaueren Intentionen des Regisseurs Aufschluss geben; die Verwendung von Geräuschen erscheint zwar interessant, nicht jedoch innovativ (Hier sei Michel Fano erwähnt, der in den 60er-Jahren in seiner Konzeption der partition sonore Geräusche, Stimmen und Musik zu einem akustischen Gesamtkunstwerk verschmolz). So bezeichnet dann auch Michel Chion die Tonspur des Films eher als einen ›Katalog von Effekten‹, denn als eine wirkliche ›Inszenierung des Klangs‹:

»Nous avons été souvent déçus sur ce plan par des films dont on nous avait vanté la ›belle bande-son‹, qui effectivement se remarquait. Citons: La Griffe et la dent, de François Bel et Gérard Vienne, Black Moon, de Louis Malle, Le Jardinier, de Jean-Pierre Sentier, où il y avait à notre sens plus un catalogue d’effets qu’une vraie mise en scène du son.«220

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Chion (1985), S. 210 (»Man wurde in dieser Hinsicht häufig von Filmen enttäuscht, deren Tonspur man als ›schön‹ gerühmt hatte und die man in der Tat bemerkte. Zitiert seien: La Griffe et la dent, von F. Bel und G. Vienne, Black Moon von Louis Malle, Le Jardinier von Jean-Pierre Sentier, in denen man nach unserem Verständnis eher einen Katalog von Effekten denn eine wahre Inszenierung des Tons fand.«)

Durch das Genre und den filmischen Stil ist Black Moon in Bezug auf die auditive Rezeptionsbeeinflussung nur indirekt mit den übrigen Filmen Malles vergleichbar. Allein die Tatsache, dass Malle zu Beginn des Films mittels einer Schrifttafel221

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Der Text ist identisch mit dem Pressetext, s. o.
an eine sinnliche Wahrnehmung appelliert, die die Ratio weitestgehend ausschalten soll und den Zuschauer auffordert, sich in eine andere Welt treiben zu lassen, beweist, dass die Tonspur samt der Musik in stärkerem Maße als im sonstigen Werk Malles Einfluss auf die Wahrnehmung ausüben soll. Dennoch konstatiert man auch in diesem realitätsfernen Film eine auditive Dramaturgie, die durch den überwiegenden Einsatz von On-Tönen gekennzeichnet ist. Nahezu alle Elemente der Tonspur lassen sich im Bild wiederfinden und kündigen sogar in den meisten Fällen ihr visuelles Pendant an. In diesem Aspekt zeigt sich Malles Ansatz, durch möglichst starke Integration der auditiven Schicht im Bild von einem effekthascherischen und

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