Einzig Dinh und sein Freund Ben bleiben, um dem rassistischen
Terror zu trotzen und für Glorys Betrieb weiterzufischen. In einem Showdown stehen
sich schließlich Dinh und Shang gegenüber, wobei letzterer von Glory erschossen
wird.
Der Film, der laut Malle »wirkliche
Integrität«237
hat, wurde insbesondere von der amerikanischen Kritik negativ aufgenommen, zeigt er
doch Seiten der amerikanischen Gesellschaft in einer Weise, die vielen US-Bürgern als
denunzierend und als Einmischung vorkam. Die Schilderung der Rednecks, einer
Bezeichnung für ländliche weiße Bürger mit geringer Bildung, die zu rassistischen
Tendenzen neigen, nimmt im Film einen großen Raum ein; ihre Darstellung ist
realistischer, als es vielen Amerikanern lieb war: »Der ölgänzende Primitive namens
Rambo hat für die USA den Vietnamkrieg schließlich gewonnen. [. . . ] Die Wahrheit, die
Malle in seinem Film ausspricht, die Realität, die er beschreibt, geht der in Märchen
vernarrten Nation mit dem neuen rambonierten Bild von sich selbst gegen den
Strich.«238
Maerker, Christa: »Alamo Bay«. In: epd-Film 10/85, S. 26
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Der Film beschreibt folglich eine Art Fortsetzung des Vietnamkrieges auf
amerikanischem Boden, mit dem Paradoxon, dass Fischer wie Shang Pierce, selbst
ein Vietnam-Veteran, nun gegen die Leute kämpfen und sie als Kommunisten
bezeichnen, mit denen sie im Dschungel Seite an Seite ausgeharrt haben und
die aufgrund ihres Engagements gegen den Kommunismus das Land verlassen
mussten.
Malle freilich spricht sich vom Vorwurf des Denunziantentums frei
und hatte im Gegenteil sogar die Intention, das Verhalten der Rednecks
plausibel zu machen: »Ich wollte die Wurzeln des Rassismus bloßlegen. Die
Vietnamesen wurden zu Sündenböcken, weil die Amerikaner sich bedroht
fühlten.«239
Malle zeigt wie schon in früheren Filmen viel Verständnis für seine Charaktere
und vermeidet einfache Schwarzweißmalerei. So wird die Entstehung des
Rassenhasses erklärt, anstatt durch »die Beschreibung einer gespenstischen
Situation, in der eine hysterisch aufgepeitschte Meute nach Lynchjustiz
dürstet«240
Koll, Hans Peter: »Alamo Bay«. In: Filmdienst 22 (29. 10. 1985), Kritik Nr. 25335
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einseitige Emotionen beim Filmbetrachter zu erwecken. Gerade dieser
Aspekt der Neutralität der Darstellung wurde von einigen Kritiken
angeprangert.241
Vgl. vor allem Baecque, Antoine de: »Alamo Bay«. In: Cahiers du Cinéma 376 (10/85),
S. 64 f., hier S. 64: »Une telle neutralité dans le ton, un tel effacement de la personnalité
sont l’indiscutable signe d’un échec. [. . . ] de film, il n’y en a pas vraiment et l’on a plutôt
affaire à un produit mou, incroyablement poreux, qui accueille tous les styles, tous les genres,
donc finalement aucun: obsession documentaire, esthétique de feuilleton TV américain [. . . ]«
(»Eine derartige Neutralität des Tons, ein derartiges Ausradieren des persönlichen Stils sind
unbestreitbare Zeichen des Scheitern eines Films [. . . ]. Von Film kann man kaum reden, man
hat es eher mit einem schlaffem, unglaublich porösen Produkt zu tun, das alle Stile und
Genres vereint, dabei jedoch keinen wirklich vertritt: zwanghaft dokumentarisch hat es die
Ästhetik eines amerikanischen Fernsehbeitrages.«) und Ann Lloyd in Films & Filming 377
(2/86), S. 30: »the rigidly schematic, uninspiring, unenlightening, styleless, gutless, pointless,
leaden passing-of-time that is the film.«
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Erneut zeigt sich hier jene Dokumentarästhetik, die bereits in anderen Filmen des Regisseurs
dominierte und sich durch die Hereinnahme von Prinzipien des Dokumentarfilms in einen
Fiktionsfilm äußert. Dabei entsteht ein Stilgemisch aus Abschnitten, die beispielsweise den
Fischeralltag genauestens präsentieren und Szenen, die von einer tiefen Melancho-
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