30 Sound und Image: Theorie 1982) fasst Aspekte der Nähe von Musik und Sprache erstens in der Gemeinsamkeit ihres physikalischen Materials sowie ihres Erzeugungs- und Wahrnehmungsorgans und zweitens in der Gemeinsamkeit der zeitlichen Ausdehnung ihrer größten und kleinsten Einheiten zusammen. Zusätzlich ist hier die Gemeinsamkeit des relativen Hörens zu nennen. WALLIN (vgl. WALLIN 1984) formuliert die Hypothese, dass sich von einem präver-balen System ausgehend sowohl Sprache als auch eine Art archaische Musik entwi-ckelte, wobei beide Entwicklungen in einer Hemisphäre dominieren, jedoch in Ver-bindung miteinander stehen.Der markanteste Unterschied zwischen Musik und Sprache liegt wohl im Grad ihrer Mediatisierung. Mediatisierung beschreibt jenen Prozess der Entwicklung kul-tureller Phänomene, an dessen einem Ende die unmittelbare emotionale Lautäuße-rung, an dessen anderem Ende über Zeichen mittelbar gemachte Systeme, wie es beispielsweise Musik und Sprache sind, stehen (vgl. JAUK 2009). Diese Genese impli-ziert, dass Sprache trotz ihres höheren Mediatisierungsgrades vorsprachliche, un-mittelbar kommunizierende Elemente besitzt.Der emotionale Ausdruck von Sprache und dessen Zusammenhang mit akusti-schen Parametern ist empirisch gut untersucht; auf die Analogie von sichtbarem körperlichen Ausdrucksverhalten und jenem körperlichen Verhalten des Sprechap-parates, das die Ausdrucksqualität der Stimme auf Basis eines Spannungs-Lösungs-Prozesses bestimmt, sei zusätzlich verwiesen. Körperliches Ausdrucksverhalten des Sprechapparates kann demnach auf die Ebene der akustischen Parameter gebracht werden (SUNDBERG 1997, S. 210). Grundlegende Emotionen gehen mit charakteristischen Ausprägungen akusti-scher Parameter (ZENTER/SCHERER 1998, S. 11) der Sprechstimme einher, die interkul-turell (EIBL-EIBESFELDT 1986, S. 661) sehr große Ähnlichkeiten aufweisen und inner- als auch interkulturell kommunizierbar sind. Auch hier sei analog zu körperlichem, emotionalem Ausdrucksverhalten festgehalten, dass zwischen dem Bewerten und dem Vollführen lautlichen Ausdrucksverhaltens in jedem Fall zu differenzieren ist. 6.3 Ontogenese und lautliches Ausdrucksverhalten Als Ausgangspunkt soll in diesem Kapitel jene Art der Kommunikation dienen, die zwischen einer Mutter und ihrem Baby oder Kleinkind beobachtet werden kann – das meint einerseits, jene vorsprachliche Kommunikation (baby talk, PERETZ 2001, S. 14, motherese, Mutterisch), die Müttern aller Kulturen (vgl. FERNALD 1989 zitiert nach: BRUHN/OERTER 2002, S. 276) eigen ist, andererseits, die kulturelle Überformung dessen, nämlich Wiegenlieder. Der Zusammenhang emotional-klanglicher Qualität vorsprachlicher Kommuni-kation von Müttern mit ihren Kindern und Wiegenliedern sowie deren Beobach-tung im interkulturellen Vergleich bildet den grundlegenden Ansatzpunkt dieses Kapitels, das die unmittelbare kommunikative Qualität lautlichen/klanglichen Aus-drucksverhaltens im ontogenetischen Kontext argumentieren soll.