Einleitung 3 Aspekte heraus und beschreiben sie anhand konkreter Beispiele. Eine Übertragung auf komplexere Konstellationen oder gar eine korrekte Verallgemeinerung der Ker-naussagen sucht der Leser vergeblich. Diese Situation beklagte Donald Byrd schon im Jahre 1985: »There are of course many books on music notation, but all, or nearly all, were written by musicians for musicians, and the natural result is that they make assumtions. A related problem with all of the books I am familar with is that they sometimes give incorrect rules in conjunction with correct examples, apparently as a result of generalizing improperly.«4 Das Ziel dieser Arbeit ist es nun ebenfalls nicht, für jeden Notationsaspekt eine zu-gehörige formale Regel oder ein Verfahren bereitzustellen. Vielmehr wird versucht, zentrale Algorithmen, die zur Erzeugung von Notenbeispielen im Zusammenhang mit Lernanwendungen nahezu regelmäßig benötigt werden, herauszuarbeiten und die dazu erforderlichen Grundlagen zu diskutieren. Es ist jedoch gleich vorwegzu-nehmen, daß selbst die berücksichtigten Aspekte nur bis zu einem bestimmten Grad zu automatisieren sind und die Entwicklung eines vollständigen, für alle denkba-ren Notenanordnungen gültiges Verfahren im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden kann. Wahrscheinlich wird eine umfassende, alle Feinheiten der handge-stochenen Partituren nachahmende Automation auch niemals realisiert werden, denn einige der an dieser Thematik arbeitenden Wissenschaftler mußten im Lau-fe ihrer Arbeit einsehen, daß ein perfekt gesetztes Notenbild nur durch manuelle Nachbearbeitungen zu erzielen ist und jede Stichregel in bestimmten Situationen individuell angepaßte Ausnahmen kennt.5 Ein Notenmodul, dessen Einsatzgebiet musikspezifische Lernanwendungen darstellt, wird somit zwangsläufig keine perfek-ten Notenbilder liefern, da jede manuelle Nachbearbeitung a priori ausgeschlossen ist. Die Notenschrift war im Laufe ihrer Evolution zahlreichen Veränderungen und Erweiterungen insbesondere in Verbindung mit diversen Vervielfältigungstechniken unterworfen und so verwundert es kaum, daß nicht nur ästhetische und lesetech-nisch vorteilhafte Symbolformen und -anordnungen ihr heutiges Erscheinungsbild bestimmen, sondern darüber hinaus ehemals drucktechnische Unzulänglichkeiten das Regelwerk beeinflußten und heute noch Gültigkeit besitzen. Unter diesem Ge-sichtspunkt kann die Frage gestellt werden, ob eine für Bildschirmausgaben ent-wickelte Notengenerierung eine gedruckte Partitur in allen Details nachbilden muß, oder ob eine an das neue Ausgabemedium angepaßte Darstellung ebenfalls denkbar wäre. Donald Knuth, der Vater des Textsatzsystems TEX, stand vor einer ähnlichen Frage, als er in den siebziger Jahren begann, die Regeln des klassischen Buchdrucks zu untersuchen und auf den Computer zu übertragen. Gemäß seinen Ausführun-gen sollte der »Substanz« des Textes Vorrang vor seiner äußeren Form eingeräumt werden: »I felt that the whole idea of making a copy was not penetrating to the heart of the problem. It reminded me of the anecdote I had once heard about slide rules in Japan. According to this story, the first slide rule ever brought to the 4 Byrd (1985), S. 4. 5 Vgl. Byrd (1994), S. 19.