14 Notenschrift und Notendruck oder 450 Hertz gestimmt wird. Tatsächlich lag die Stimmung zur Zeit Mozarts un-gefähr einen Halbton unter der heutigen.10 Entscheidender als ein frequenzmäßig fixer Kammerton ist die Festlegung einer beliebigen gemeinsamen Referenzfrequenz sowie einer gemeinsamen Stimmung. Alle weiteren Töne ergeben sich daraus in rela-tiver Abhängigkeit, ähnlich der durch die Formeln (1.1) beschriebenen Zuordnung zwischen Tonstufe und Frequenz der gleichstufig temperierten Stimmung. Auch Musiker transponierender Instrumente wären durch Notenbild, welches absolute Tonhöhen festhielte deutlich benachteiligt, da die Transposition nicht mehr im No-tenbild erfolgen könnte, sondern im Kopf des Instrumentalisten stattfinden müßte und damit einen bestimmten Anteil seines Konzentrationspotentials zuungunsten ebenso zeitkritischer Aspekte des Musizierens beanspruchen würde. Das Prinzip der Relativität in der Notenschrift zeigt sich neben der Tonhöhen-notation ebenso in der horizontalen Komponente, welche die Tondauern repräsen-tiert. Bekanntermaßen spricht ein Musiker von halben, viertel, achtel und ande-ren rationalen Noten- und Pausenwerten, deren Nenner immer auf Zweierpotenzen basieren. Die Bruchzahlen beziehen sich nun nicht auf eine absolute Zeitspanne, wie eine viertel oder halbe Sekunde, sondern auf ein übergeordnetes Metrum. Das Metrum ist der Pulsschlag der Musik, also ein von der physikalischen Zeit losge-löstes, auf rationalen Zahlen basierendes Zeitmaß, dessen Tempo durch dehnbare Begriffe wie Adagio, Andante und Allegro vorgegeben und seit Mälzel durch zusätz-liche absolute Angaben in Schlägen pro Minute konkretisiert werden kann. Trotz der dadurch offensichtlich fixierten, mit der physikalischen Zeit synchronisierten Pulsschläge und der daraus resultierenden Eindeutigkeit der Tondauern, ist der Musiker nur scheinbar an diese Vorgabe gebunden. Im Rahmen seines Interpre-tationsfreiraums kann er sowohl die Artikulation, welche die Tondauer beeinflußt, und das Tempo variieren (tempo rubato), so daß eine genaue Vorhersage über den physikalischen Einsatzzeitpunkt einer bestimmter Note der Partitur fast zur Un-möglichkeit wird. Dennoch kann bei bekanntem Tempoverlauf T eine Beziehung zwischen dimensionsloser, rationaler musikalischer Einsatzzeit e und der in Sekun-den gemessenen physikalischen Einsatzzeit E hergestellt werden. Laut Mazzola gilt nämlich e dx T (x) , E(e) = E(e0) + e0 wobei e0 ≤ e der musikalische Startzeitpunkt des betrachteten Musikausschnitts ist.11 Die relativen (oder musikalischen) Tondauern werden nun in zweifacher Weise notiert: Zum einen graphisch, durch den Gebrauch unterschiedlicher Hälse, Fähn-chen und Köpfe, zum anderen optisch, indem der Abstand zwischen zwei Noten von der Dauer der ersten abhängt. Genauere Ausführungen dazu folgen an an-derer Stelle.12 Hier sei jedoch schon vorweggenommen, daß diese Abstände auch bei identischen Notenwerten nicht notwendigerweise konstant sein müssen, denn sowohl der Taktaufbau als auch der Randausgleich wirken sich auf die endgültige 10 Vgl. Jourdain (1998), S. 71. 11 Vgl. Mazzola (1990), S. 22–25. 12 Vgl. dazu Abschnitt 5.3.