18 Notenschrift und Notendruck Abbildung 1.3: Die Druckvorlagen der drei prinzipiellen Druckverfahren Hochdruck, Tiefdruck und Flachdruck. »Der Druck mit beweglichen Lettern wurde erfunden für die Wiedergabe der Sprache, nicht für die der Musik. [...] Die Notenschrift, welche in den ersten christlichen Jahrhunderten in Italien entstand und vom Mittelalter bis auf un-sere Zeit sich ausbildete, nimmt eine Mittelstellung zwischen Schrift und Bild; durch ihre feststehenden Zeichen für die Zeitwerthe der Töne ist sie Schrift, durch ihre anschauliche Darstellung der Tonhöhe und der Verknüpfung der verschiedenen Stimmen ist sie Zeichnung. [...] Die ganze Schwiergkeit liegt in einem einzigen Punkte, in der Durchschneidung horizontaler und verticaler Linien.«16 Auch wenn weder die Choral- noch die Mensuralnotation über so flexible Bestand-teile wie Balken und Bögen verfügten, bereitete allein die Überlagerung von No-tenlinien und Notensymbolen sowie ihre variable Positionierung in der Horizonta-len und Vertikalen ernsthafte Schwierigkeiten. Die Gleichzeitigkeit von Noten und Buchtext erschwerte den Druck von Vokalwerken zusätzlich. Die Aufgabe bestand somit zusammenfassend darin, ein Druckverfahren zu entwickeln, welches einerseits das Setzen von Text, Musiksymbolen und graphischen Zeichen an beliebigen Po-sitionen der Ebene gestattet und andererseits die fixen, immer wiederkehrenden Notensymbole auf wiederverwendbaren Typen vorrätig hielt. Ein erster Schritt zur Realisierung eines Notentypendrucks stellte sein Vorläu-fer, der Patronendruck dar. Hierbei wurden die Notensymbole, nachdem die No-tenlinien auf das Papier gedruckt wurden, Zeichen für Zeichen von Hand darüber gestempelt. Dieses Verfahren löste gleichzeitig das Problem des Mehrfarbendrucks von gregorianischen Choralgesängen, die in Anlehnung an die vorbildlich geltenden Handschriften der Mönche mit schwarzen Zeichen auf roten Linien zu Papier ge-druckt werden mußten. Eine wirkliche Erleichterung und ein überzeugender Fort-schritt war der Patronendruck im Vergleich zur Xylographie jedoch nicht. Zwar konnten sich die Druckermeister das aufwendige Anfertigen der Drucktafeln erspa-ren, dafür erforderte der eigentliche Druckvorgang, bei dem jedes Exemplar erneut mit Sorgfalt gestempelt werden mußte, um so mehr Zeit. Gleichzeitig verhinderte diese Technik die wesentlichen Vorzüge des Drucks im Hinblick auf gleichwertige Qualität und Fehlerfreiheit der produzierten Exemplare. Den ersten Notentypendruck mit beweglichen Metallettern verwirklichte der In-golstädter Druckermeister Ulrich Hahn († 1478) im Jahre 1476 mit einem Missale Romanum, welches »in Klarheit und Formschönheit der Notentypen manche spä-teren Werke [übertrifft].«17 Hahn gelang die Umsetzung des Verfahrens allerdings 16 Chrysander (1879), Sp. 162–163.