22 Notenschrift und Notendruck nach ihm sein Sohn zu den größten Musikverlegern des 18. Jahrhunderts wurden. Die Verbindung von typenähnlichen Stempeln und der zusätzlichen Möglichkeit, beliebige Zeichen an beliebigen Positionen auf eine Druckplatte bringen zu kön-nen, ermöglichte es endlich, auch komplexe Notentexte auf effiziente Weise und in »gestochen scharfer« Qualität herzustellen. So leicht die Pewter-Platten auch zu bearbeiten waren, so schnell ließ ihre Druckqualität mit zunehmender Auflage nach, denn durch das ständige Zusam-mendrücken in der Druckpresse flachten die eingravierten Bereiche allmählich ab. Spätestens nach ungefähr 300 Abzügen mußten die abgenutzten Stellen, darunter überwiegend Notenköpfe, nachgestochen werden.27 Abhilfe schaffte die 1796 von Aloys Senefelder (1771–1834) ersonnene, auf der Abstoßung von Fett und Wasser beruhende Lithographie. Bei demFlachdruckverfahren wurden die Noten zuerst von der gestochenen Platte mit einer fettigen Flüssigkeit auf eine feinporige Kalkstein-platte übertragen. Nach der anschließenden Ätzung mit wässeriger Säure zieht die zu druckende Zeichnung Fett und die nicht-druckenden Bereiche der Platte Was-ser an. Wird der Stein jetzt mit fettiger Druckfarbe bestrichen, dann bleibt sie an den druckenden Stellen haften und wird von der wässerigen Umgebung abgesto-ßen. Dank des Steindrucks konnten jetzt nahezu beliebig viele Exemplare von einer Vorlage zu Papier gebracht werden, denn man »benötigte [...] von der Stichplatte bloß einen sauberen Abzug, der dann auf den lithographischen Stein übertragen wurde. Je nach Größe des Steines konnten von diesem 4 bis 16 Seiten in einem Vor-gang gedruckt werden [...]. Das Zeitalter der universellen Verbreitung musikalischen Gedankengutes war angebrochen.«28 Auf Basis der Lithographie entwickelten sich allmählich weitere von der Vorla-ge unabhängige Druckverfahren, zum Beispiel auf der Basis von Phototechnik. So einfallsreich die Erfinder neuer Drucksysteme jedoch auch waren, das Stechen von Notenplatten blieb zum Herstellen der Druckvorlagen eine Grundvoraussetzung. Sie zu ersetzen war zwar das Ziel vieler technisch begabter Erfinder, doch besaßen sie häufig zu geringe Kenntnisse über Musik und ihre Notation. Aus diesem Grund verschwanden deren oft recht skurrile Erfindungen genauso schnell von der Bildflä-che, wie sie aufgetaucht waren. Zu diesen Wunderwerken der Ingenieurskunst ge-hörte beispielsweise die Notenschreibmaschine, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den verschiedensten Ausführungen auf den Markt kam. Einen kleinen Überblick mit Schriftproben findet der interessierte Leser unter anderem bei Ted Ross.29 All diese Maschinen, sei es der Imperial Pavey Musigraph, Bailey’s Harmony Writer oder auch der vollautomatische, elektrische Pro Musica Compositor mit seinen 83 verschiedenen Symbolen, produzierten im Vergleich zum Notenstich äußerst be-scheidene Resultate, denn wie beim Typendruck ist der Symbolvorrat beschränkt. Beliebige Halslängen für flexible Balkensteigungen können, wenn überhaupt, nur durch das Zusammensetzen kürzerer Linien erzeugt werden. Die Nahtstellen, an de-nen die beiden Teilstücke zusammenstoßen, sind dabei inakzeptablerweise sichtbar und das Druckergebnis mithin alles andere als ideal. 27 Vgl. Duggan und Beer (1994ff), Sp. 444–445. 28 Chlapik (1987), S. 10. 29 Ross (1987), S. 39–48.