24 Notenschrift und Notendruck 1.3 Der computergestützte Notensatz Dieser Abschnitt soll einen kurzen Überblick über die bisherigen Konzeptionen computergestützter Notengenerierung der letzten Jahre sowie die damit zusam-menhängenden Schwierigkeiten geben. Dabei können und sollen nicht alle Entwick-lungen berücksichtigt werden, denn zum einen ähneln sie sich untereinander und zum anderen geben nur die wenigsten Entwickler ihre Erkenntnisse in Form von Aufsätzen oder gar Quelltexten preis, so daß sich der Interessent in diesen Fällen auf Funktionalitätsuntersuchungen ihrer Systeme beschränken muß. 1.3.1 Probleme des computergestützten Notensatzes Wie im vorangegangenen Abschnitt beschrieben, ist mit dem Notenstich und seinen Varianten ein mechanisches Verfahren entwickelt worden, das keine Wünsche be-züglich notationstechnischer Möglichkeiten und resultierender Druckqualität mehr offen läßt. Ist es in den frühen sechziger Jahren, als den ersten Computern der No-tensatz beigebracht wurde, also nur ein übersteigertes Fortschrittsdenken gewesen, sämtliche Aufgaben einer programmierbaren Maschine übertragen zu wollen? Si-cher nicht, denn so hoch der Qualitätsstandard beim Notenstich auch war, so schwer war er zu realisieren und damit zu garantieren. Zum einen erforderte diese Technik hochqualifizierte Handwerker, die oft erst im Laufe vieler Jahre eine gleichbleiben-de Perfektion erreichten,31 und zum anderen war der Arbeits- und Kraftaufwand zum Herstellen der Druckplatten enorm: Ungefähr 7000 Hammerschläge auf die Stahlstempel waren bei einer durchschnittlichen Tagesleistung von drei Platten nö-tig. 32 Die Beseitigung von sich zwangsläufig einschleichenden Fehlern33 gestaltete sich darüber hinaus nicht minder schwierig, zumal das »Zurückstempeln« der Zei-chen auf der Plattenrückseite die Beschaffenheit der Druckplatte beeinträchtigen und damit negative Auswirkungen auf das Druckergebnis zur Folge haben konnte. Wachsender Bedarf an gedruckter Musik und zurückgehendes Interesse am Be-ruf des Notenstechers erforderten schließlich Überlegungen zur Bewältigung dieses Problems. Bekanntermaßen gab es schon früher verschiedene Versuche, Noten mit Hilfe von mechanischen Geräten zu setzen, doch scheiterten sie an den zu großen Einschränkungen des Typendrucks; freie, graphische Elemente wie Bögen konnten mit solch starren Verfahren, wenn überhaupt, nur in unzureichender Qualität zu Papier gebracht werden. Aus den gleichen Gründen setzten sich auch die ersten digital gesteuerten Systeme nicht durch, denn auch sie verwendeten zur Ausgabe häufig Typendrucker oder Tintenplotter. Letztere zeichnen sich zwar durch eine ho-he graphische Flexibilität aus, sind aber hauptsächlich auf das Zeichnen von Linien beschränkt, so daß gefüllte Zeichen, wie schwarze Notenköpfe oder Notenschlüssel, für einen ernsthaften Einsatz nicht hinreichend dargestellt werden konnten. 31 Vgl. Müller (1989), S. 8. 32 Vgl. Hader (1948), S. 70. 33 »Notenstich ist ungemein fehleranfällig. Musikverleger Ernst Roth berichtet, daß bei einer Durchsicht von Strawinskis ›Le Sacre du Printemps‹ im Jahre 1952, knapp 40 Jahre nach der Komposition, rund 700 Fehler entdeckt wurden – zum Beispiel Takte, die über eine ganze Seite hinweg in eine andere Stimme gerutscht waren.« (Noll (1996), S. 201).