1.3 Der computergestützte Notensatz 25 Trotz der minderwertigen Druckqualität war man dennoch gezwungen, über eine elementare Frage der digitalen Notenverarbeitung nachzudenken: In welcher Form werden die Bestandteile der Notenschrift in den Computer eingegeben und wie werden sie so im Speicher repräsentiert, daß sie maschinengerecht verarbei-tet werden können? Die Beantwortung dieser Fragen ist essentiell, denn weder soll der Benutzer durch eine kryptische Bedienung von der eigentlichen Aufgabe des Notensetzens abgehalten, noch darf die computerinterne Datenstruktur zu ober-flächlich konzipiert werden, um sich bei der Realisierung des Programms nicht unnötige Beschränkungen aufzuerlegen. Was die Eingabetechnik angeht, so kristal-lisierten sich zwei unterschiedliche Verfahren heraus: Zum einen handelt es sich dabei um sogenannte Batch- oder Skriptsysteme, bei denen die Noteninformatio-nen als alphanumerischer Code mittels eines Texteditors in einer Datei abgelegt und anschließend vom Satzsystem eingelesen wird.34 Letzteres sendet dann das produzierte Notenbild entweder direkt an den Drucker oder schreibt das Resultat in eine Ausgabedatei, deren Inhalt anschließend graphisch nachbearbeitet oder auf dem Bildschirm betrachtet werden kann. Diese Technik läßt Nachbearbeitungen im Sinne notenschriftlicher Logik offenkundig nur über ein erneutes Editieren der Eingabedatei zu, so daß der Bediener eines solchen Batch-Systems neben den no-tenschriftlichen Regeln auch die eindimensionale textuelle Umsetzung der Musik beherrschen muß. Gerade bei wenig automatisierenden Systemen, die einen Groß-teil der Formatinformationen manuell codiert erwarten, kann das Notensetzen auf diese Weise schnell zur Tortur werden. Deshalb zielt ein anderer Entwicklungszweig in Richtung interaktiver Systeme. Sie zeigen schon während der Noteneingabe, sei sie textuell oder graphisch, jedes Zwischenergebnis auf dem Bildschirm an, so daß Fehler anhand der vertrauten Notenschrift unmittelbar erkannt und beseitigt wer-den können. Interaktivität beim Notensetzen spielt aber nicht nur im Hinblick auf Fehler-korrekturen eine entscheidende Rolle. Ihre besondere Bedeutung erhält sie durch die Komplexität unserer Musiknotation, denn die Notenschrift ist in hohem Maße durch ihre Zweidimensionalität sowie durch die Verwendung graphischer Elemente geprägt und unterscheidet sich damit erheblich von geschriebener Sprache, welche lediglich aus Aneinanderreihungen fixer Zeichen besteht. Der graphische Anteil der konventionellen Musiknotation ist es auch, der gleichzeitig überaus vielschichtige Symbolkombinationen sowie -konstellationen zuläßt, so daß es selbst beim aktuellen Stand der Computertechnik unmöglich ist, alle denkbaren Partituren vollständig automatisiert durch ein Computerprogramm setzen zu lassen. Zwar können sie einen Großteil der besonders zeitaufwendigen Berechnungen übernehmen, das end-gültige Qualitätsurteil über die generierte Notengraphik fällt aber der menschliche Notensetzer und so liegt es auch in seiner Hand, das maschinell erzeugte Notenbild gemäß seiner Maßstäbe zu optimieren. Doch nicht nur in ästhetischer sondern häu-fig auch in satztechnischer Hinsicht bedarf die automatisch hergestellte Notengra-phik einer Nachbearbeitung, da sich einige Stichregeln gegenseitig ausschließen und deshalb je nach Situation verschiedene Vorschriften vernachlässigt werden müssen – eine Aufgabe, die der Computer mit seinen beschränkten Fähigkeiten nur bedingt zuverlässig erfüllen kann. 34 Vgl. dazu auch Abschnitt 2.2 dieser Arbeit.