4.1 Die relative Gewichtung musikalischer Einsatzzeiten 97 nach einmaligem Lesen ohne Anwendung strukturierender Gruppierungen aus dem Gedächtnis zu wiederholen, dürfte es z.B. bei Bündelungen der Form DB, UKW, ARD, USA, BASF deutlich einfacher gelingen, denn statt der zuvor sechzehn Ein-zelinformationen sind nur noch fünf Chunks zu verarbeiten. Natürlich funktioniert dies nur, wenn der Leser in den gebildeten Gruppen eine Informationseinheit er-kennt. Verbindet er beispielsweise nichts mit der Buchstabengruppe UKW, so dürf-te sie genauso schwer zu behalten sein, wie ihre einzelnen Buchstaben selbst. In diesem Fall basiert das Chunking also auf bekannten Informationen, die im Lang-zeitgedächtnis gespeichert sind. Das spontane primzahlige Chunking metrischer Schläge beim Musikhören ist hingegen viel elementarer, da es quasi automatisch ohne nötiges Hintergrundwissen angewandt wird. 4.1.2 Die metrischen Level und die Gewichtung der Einsatzzeiten Aufgrund der Präferenz des Gedächtnisses für Zweier- und Dreierbündelungen beim Hören westlich-tonaler Musik stehen die Pulsfrequenzen direkt benachbarter Level im Verhältnis 1 : 2 bzw. 1 : 3, wobei die Zweiteilung normalerweise elementarer eingestuft wird, als die Dreiteilung.13 Da sich, wie beschrieben, um den Tactus her-um sowohl größere als auch kleinere metrische Level befinden, entstehen zwei Ar-ten notationstechnisch relevanter Strukturierungen: Teilungen und Gruppierungen. Schnellere Pulsfolgen unterteilen die Schläge des Tactus, langsamere gruppieren sie zu größeren Einheiten zusammen. Dieses schon aus der Mensuralnotation bekannte Prinzip, prägt auch heute noch unsere Notenschrift, wenn auch in abgeschwächter Form. Bei dieser frühen Notationsform wurde ein Einheitstempo zugrundegelegt, dessen Pulsdauer von der Semibrevis () repräsentiert wurde (alla semibreve) und im 16. Jahrhundert bei ungefähr 60 Schlägen pro Minute lag.14 Die Unterteilung des Taktschlags – Prolatio genannt – in die kleinere Minima (), konnte entweder perfekt oder imperfekt sein, worunter die Musiker eine Drei- bzw. Zweiteilung ver-standen. 15 Das gleiche Prinzip galt für Taktschlaggruppierungen, die als Tempus bezeichnet wurden, zur länger erklingenden Brevis (). Damit ergaben sich die vier in Tabelle 4.1 dargestellten Mensuren. Im Gegensatz zur Mensuralnotation basiert unsere heutige Notenschrift auf eindeutigen Proportionen zwischen den Notenzeichen. Bekanntermaßen stehen die Werte der Basisnoten in binären Verhältnissen zueinander, so daß ternäre Grup-pierungen durch ein Zusatzzeichen – den Punkt – hinter Note oder Pause gekenn-zeichnet werden. Ternäre Teilungen hingegen führen zur Klasse der Triolen. Durch diese Regelung kann jeder Musiker auf einen Blick erkennen, welche Teilungs- und Gruppierungsverhältnisse in dem ihm vorliegenden Notentext herrschen, ohne bei wechselnden Notenwertrelationen die gerade gültigen ermitteln zu müssen. Den- 13 Eskelin sieht hier eine Parallele zur Obertonreihe, bei welcher der erste Oberton im Verhält-nis 1 : 2 (Oktave) und der zweite im Verhältnis 1 : 3 (Oktave + Quinte) zum Grundton steht (Eskelin (1998), S. 156). 14 Vgl. Apel (1962), S. 157 und S. 205–208. 15 Die Dreiteilung wurde als perfekt angesehen, »weil sie aus ›Anfang, Mitte und Ende‹ bestand. Natürlich spielte auch das Dogma der Heiligen Dreieinigkeit eine Rolle in dieser Vorstellung und Terminologie.« (Apel (1962), S. 102).