98 Die Realisation taktart-konformer Rhythmusnotationen tempus perfectum tempus imperfectum prolatio perf. = = = = prolatio imperf. = = = = Tabelle 4.1: Aufgrund der jeweils ternären oder binären Zerlegung bzw. Gruppierung der Semibrevis ergeben sich vier Mensuren. Die Kreise bzw. Halbkreise (tempus) mit und ohne Punkt (prolatio) kennzeichnen die Mensur (z.B. = tempus perfectum cum prolatione imperfecta). noch wurde im Laufe der notenschriftlichen Evolution dazu übergegangen, sämtli-che über zeitliche Proportionen Aufschluß gebende Kennzeichnungen simultan auf verschiedene Weisen darzustellen bzw. anzudeuten – ein Phänomen, dem der Leser im Laufe dieser Arbeit noch häufiger begegnen wird. Der Zeitfaktor ist offensichtlich ein derart kritischer Moment in der Musik, daß er notationstechnisch besonders be-dacht werden muß. Dies zeigt sich z.B. bei der Balkensetzung, den Notenabständen und in der Art, wie Notenwerte mit Hilfe von Haltebögen zu größeren zusammenge-setzt werden. Zwar sind die hier angetroffenen typographischen Regeln nicht strikt reglementiert und uneingeschränkt einzuhalten, doch läßt sich in der Literatur eine eindeutige Tendenz erkennen, sie gerade in Verbindung mit Lernenden zu befol-gen. Damit der Computer diese Regeln bei der Notengenerierung berücksichtigen kann, muß er Informationen zur metrischen Struktur, also zu den Teilungs- und Gruppierungsverhältnissen des vorliegenden Notentextes erhalten. Nun sind diese Informationen dank einer weiteren Neuerung gegenüber der Mensuralnotation, den Taktarten samt Taktstrichen, bereits latent in den Noten enthalten, welche letzt-lich ein »notenschriftliches Metrum« definieren. Dieses Metrum muß aufgrund der relativen Tondauern nicht zwangsläufig mit dem empfundenen oder dirigierten Tac-tus der notierten Musik übereinstimmen. Der dritte Satz aus Beethovens fünfter 4-Takt, wird aber Allegro gespielt, so daß der Symphonie steht beispielsweise im 3 Tactus entgegen der Notation nicht auf den Viertelnoten, sondern eher auf ganzen oder sogar doppelten Takten liegt. Bengtsson schreibt dazu: »A first mistake [...] would be to believe that notation always gives a true picture of the »rhythmetric« structure that the composer intended and/or the listener perceives. A major type of example showing discrepancies might be meter as conceived, as notated, as derivable from the musical structure, and as perceived.«16 Die Aufgabe des Computers ist es in diesem Fall also nicht, den wahrgenom-menen metrischen Level des Tactus, sondern den notationsimmanenten Taktschlag zu bestimmen. Um diese Aufgabe lösen zu können, bietet sich die relative Gewich-tung der musikalischen Einsatzzeiten an, d.h. jeder Note des darzustellenden Taktes wird eine Zahl zugeordnet, die eine Aussage über die Betonungsintensität der be-troffenen Einsatzzeit zuläßt. Dazu wird der Formalismus des metrischen Gefüges nach Lerdahl und Jackendoff zugrunde gelegt, dessen Visualisierung sich schon in 16 Bengtsson (1987), S. 75–76.