4.3 Die Ermittlung taktart-konformer Balkengruppen 121 Dieses Vorgehen läßt sich unter Berücksichtigung allgemein anerkannter psychologi-scher Modelle zu Aufbau und Funktionsweise unseres Gedächtnisses erklären. Wie schon in Abschnitt 4.1 beschrieben, tendieren wir dazu, mehrere separat wahr-genommene Informationseinheiten zu Informationsbündeln, den Chunks, zusam-menzufassen, um so die geringe Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses von ungefähr sieben Informationseinheiten zu kompensieren. Diese spontane Bündelung funktio-niert aber nur optimal, wenn ebenfalls höchstens sieben sensorische Informationen – in diesem Fall Anzahl der Notenköpfe und Balken – zu einer Meta-Einheit »ver-packt « werden müssen. Bei kurzem Blick auf eine aus vielen Noten bestehende Balkengruppe mit unterschiedlichen Notenwerten kann es passieren, daß unsere unmittelbare Gedächtnisspanne nicht ausreicht, um sämtliche Informationen, z.B. die Anzahl der Noten, wahrzunehmen, so daß ein weiterer Blick erforderlich wird, der wiederum beim Blattspiel kritische Situationen hervorrufen kann. Wird ein notierter Rhythmus aber optisch in mehrere kleine Balkengruppen zerlegt, dann entstehen leicht zu erkennende Patterns, die direkt vom Gehirn verarbeitet wer-den können. In diesem Sinne stellt die Verbalkung ein optisch vorweggenommenes Chunking, eine Vorverarbeitung für das Kurzzeitgedächtnis dar. Aus diesem Blick-winkel heraus erklärt sich auch die maximale Balkengruppengröße von sechs iden-tischen regulären Notenwerten. Mehr als sechs Noten sind unter demselben Balken nur unter einer zusätzlichen Voraussetzung anzutreffen:Wenn die zu gruppierenden Noten den Wert 1 8 unterschreiten und ihre Notation somit mindestens zwei Balken erfordert, können durch partielle Unterbrechung Untergruppen werden, die wieder maximal sechs Noten zusammenfassen: oe oe oe oe oe 6232 4 oe2 oe3 oe2 oe5oe1oe2 oe1 oe3 oe1 oe2 oe1 oe4oe1 oe2 oe1 oe3oe1 oe2oe1 Im Zusammenhang mit irregulären Teilungen ermöglichen die darüber oder dar-unter notierten Zahlen eine schnelle Wahrnehmung der Gruppengröße, so daß ein Abzählen und Beschränken der Notenanzahl überflüssig wird. Bei genauerer Betrachtung der Gewichtsverteilung verschiedener Balkengrup-pen, ist festzustellen, daß ein Balken vor den Einsatzzeiten endet, deren Gewicht das kleinste der Gruppe um mindestens 2 und ein weiteres um mindestens 1 über-steigt. Im linken Beispiel auf Seite 120 ist z.B. das Gewicht 3 der fünften Achtelnote um zwei größer als das kleinste Gewicht der ersten Gruppe und um 1 größer als das der dritten Note, so daß die 3 eine Hürde für den linken Balken darstellt, welche er nicht überschreiten kann. Anders herum ist dasselbe Gewicht aus den gleichen Gründen eine Schranke für den rechten Balken, der das Gewicht zwar einschließt, es nach links aber nicht überschreitet. Alle Balkengruppen beginnen deshalb stets auf einer Einsatzzeit mit dem lokal größten Gewicht oder anders formuliert: ein Balken, der auf Einsatzzeit e0 beginnt, darf die Einsatzzeiten ei mit γ(ei) ≥ γ(e0) des zugrundeliegenden Rasters weder überschreiten noch dort enden. Wäre dies der Fall, so würde die Taktschwerpunktverteilung verschleiert, doch genau das Gegen-teil soll durch die Verwendung von Balken gerade erreicht werden. Eine scheinbare Verletzung dieser Regel kann durch Hinzufügen von Pausen auf betonten Zeiten