5.2 Horizontale Ausrichtung lokaler Akkordgruppen 147 chens (). Im Zusammenhang mit einfachen Kreuzen und Bes liegt seine Bedeutung auf der Hand: Es hebt die Wirkung von Kreuzen und Bes zugunsten des Stamm-tons auf. Damit gehört es zu den einfachen Akzidentien, die eine Halbtonalteration bewirken. Aus dieser Sichtweise folgt zwangsläufig, daß Auflösungszeichen Dop-pelkreuze bzw. Doppelbes nur zur Hälfte auflösen und ein einfaches Akzidentium zurückbleibt. Genau diese Vorstellung wird aus dem Akzidentiengebrauch vieler älterer Partituren suggeriert, in denen ein Doppelkreuz durch eine Kombination aus Auflösungszeichen und einfachem Kreuz um einen Halbton erniedrigt wird, in aufsteigender Halbtonfolge dieses Auflösungszeichen aber fehlt:28 ‹oe n#oe noe ∫oe nb oe noe aber noe #oe ‹oe noe boe ∫oe Konsequenterweise müßten bei dieser alten Notationsform zur vollständigen Neu-tralisierung von Doppelakzidentien zwei Auflösungszeichen notiert werden – eine Forderung, der allerdings kein Notenstecher Folge leistet. Vielmehr überwiegt dann die Vorstellung, daß ein Auflösungszeichen sämtliche Akzidentien, seien es einfache oder doppelte, zugunsten des Stammtons auflöst. Auf dieser Definitionsgrundla-ge scheinen die Auflöser in Verbindung mit halbtönig zu alterierenden, doppelt versetzten Noten überflüssig. Bestenfalls sind sie als Sicherheitszeichen zu deuten, doch stellt sich dabei einerseits die Frage, warum Symbole mit eindeutiger Semantik eines unmittelbaren Sicherheitszusatzes bedürfen. Andererseits wäre es aus dieser Sichtweise konsequent, die Sicherheitsauflöser statt nur in eine Alterationsrichtung, in beide Richtungen zu verwenden, so daß vor der letzten Note der Folge f-fis-fisis eine Auflösungszeichen und ein Doppelkreuz stehen müßte. Diese übertriebene und zugleich redundante Zeichensetzung ist aber letztlich nicht gewollt und so wurden die Inkonsequenzen in der Akzidentiensetzung schließlich durch gänzlichen Verzicht auf zusätzliche Auflöser beseitigt. In heutigen Partituren bezeichnet ein Auflösungs-zeichen vor einer Note also immer den Stammton.29 Es sei an dieser Stelle noch angemerkt, daß es bis ins 18. Jahrhundert hinein üblich war, auf Auflösungszei-chen vollständig zu verzichten und »Hochalterationen durch ein , Tiefalterationen durch ein aufzuheben.«30 Dies belegt in eindrücklicher Weise den Bedeutungs-wandel einiger musikalischer Symbole und mag die ein oder andere Inkonsequenz in der Notenschrift begründen, welche als visuelle Hilfe zum Eindenken in die neue Semantik eingeführt wurde. Ähnlich wie die Notenköpfe, benötigen auch die fünf gebräuchlichsten, oben be-schriebenen Akzidentien31 mehr vertikalen Raum, als es ihnen von der Rasterung 28 Vgl. z.B. Read (1979), S. 125–126 und McGrain (1986), S. 41. 29 Die englische Bezeichnung natural für Auflösungszeichen spiegelt diesen Sachverhalt deutlicher wider als der deutsche Begriff. 30 Kühn (1994ff), S. 421. 31 Neben den fünf Standardzeichen sind in Verbindung mit Neuer Musik noch viele weitere, größ-tenteils von den Komponisten individuell erdachte, Symbole in Gebrauch, die hauptsächlich zur Kennzeichnung mikrotonaler Alterationen eingesetzt werden, wie beispielsweise in folgen-der Vierteltonreihe: Bboe boe Boe noe μoe moe ˜oe