160 Positionierung und Ausrichtung notengraphischer Elemente können diese Grundabstände lediglich bei sehr einfachen, einstimmigen Beispielen unverändert übernommen werden. In der weitaus größeren Zahl der Fälle treten jedoch weitere Faktoren hinzu, die zusätzlichen Einfluß auf die horizontale Aus-richtung der Noten und Pausen nehmen können. Zum einen müssen Notenabstän-de häufig mangels ausreichenden Platzes über den Grundabstand hinaus erweitert werden, um verschiedene Notationselemente, wie Versetzungszeichen, Wertpunk-te, Fähnchen oder Liedtext, kollisionsfrei in dem zur Verfügung stehenden Raum unterbringen zu können: Zum anderen erfordert die Realisierung des Randausgleichs eine flexible Variation der Notenzwischenräume, denn nur auf diese Weise können zu kurze Akkoladen gestreckt und zu lange gestaucht werden. Die algorithmische Behandlung dieser beiden, miteinander in Verbindung stehenden Aspekte erfordert einen nicht un-erheblichen Mehraufwand bei der Abstandsberechnung. Detaillierte Ausführungen dazu finden sich in Abschnitt 5.4. Doch nicht nur Randausgleich und überbreite Notenbestandteile erzwingen eine Abweichung von den Grundabständen. Allein die Gleichzeitigkeit mehrerer Stim-men verlangt bereits eine verallgemeinerte Abstandsberechnung. So dürfen Noten-und Pausenzeichen mit identischer Einsatzzeit, also Elemente derselben globalen Akkordgruppe, nicht unabhängig voneinander positioniert werden, sondern sind möglichst auf dieselbe horizontale Koordinate zu stellen. Damit kann höchstens die Note oder Pause mit dem kleinsten Notenwert der Gruppe ihren Grundabstand zum Folgesymbol erhalten. Das Hinterfleisch aller anderen Noten ist zwangsläufig zu vergrößern. Darüber hinaus verhindern Überlagerungen diverser Rhythmen in vielen Fällen die Separation einer Note, die zur Abstandsberechnung herangezogen werden könnte, denn bevor die Dauer einer Note verstrichen ist, kann in der Par-allelstimme eine weitere einsetzen und dadurch die Zuordnung der idealen Distanz verhindern. Zur Veranschaulichung der Problematik soll an dieser Stelle das Notenbeispiel der Abbildung 5.8 – ein vergleichsweise einfacher vierstimmiger Satz – betrach-tet werden. Die ersten beiden Takte stellen aus algorithmischer Sicht kein großes Problem dar, da fast alle Stimmen im gleichen Rhythmus erklingen und somit sämtliche Noten ihr optimales Hinterfleisch – also den Grundabstand – erhalten können. Lediglich die erste Baßnote bildet eine Ausnahme. Ihr Abstand zur Fol-genote ergibt sich aus der Abstandssumme der gleichzeitig erklingenden Viertel-pausen und -noten, d.h. das Hinterfleisch der Halben Note darf nicht mit Hilfe einer Funktion ψ berechnet werden, sondern ist bereits durch die parallel auftre-tenden, kleineren Notenwerte festgelegt. Byrd spricht hierbei von einer abhängigen x-Koordinate, welche sich »parasitär« an die unabhängigen Koordinaten anhän-gen. 65 Damit fällt ihre Distanz aufgrund der logarithmischen Abstandsberechnung zur folgenden Viertelnote im Vergleich zum Grundabstand um einiges größer aus. 65 Vgl. Byrd (1985), S. 139.