5.4 Zeilenumbruch und Randausgleich 167 bildet werden, denn nicht jede Taktfolge führt zu akzeptablen Resultaten. Theo-retisch kann ein Algorithmus natürlich jeden Takt und jede kürzere Taktfolge auf die vorgegebene Länge ausdehnen, doch die sich daraus ergebenden sehr weiten Notenabstände dürften gegen ein solches Vorgehen sprechen (vgl. Abb. 5.10). Als vorteilhaft erweisen sich solche Akkoladen, deren natürliche Längen schon ungefähr der endgültigen Länge entsprechen und folglich nur eine geringe Modifikation der Notenabstände erfordern. Die Aufgabe des Notenmoduls besteht im Rahmen des Randausgleichs also in der Zusammenstellung solch geeigneter Akkoladen. Anders formuliert, muß der Algorithmus diejenigen Takte auffinden, nach denen idealer-weise eine neue Akkolade begonnen werden kann, denn vor dem Zeilenumbruch besteht die modulinterne Notenbildrepräsentation lediglich aus einer langen Akko-lade, in der die Takte wie bei einer Perlenkette aneinandergereiht sind. Erst durch Abspaltung diverser Taktbereiche entstehen mehrere Notenzeilen. Wie bereits an-gedeutet, endet eine Akkolade normalerweise mit einem vollen Takt, so daß sie mit einem Taktstrich abschließt. Nur in seltenen Ausnahmefällen, wie etwa sehr lange Takte mit freien, von der Taktart losgelösten Kadenzen, sollten Notenzeilen vor dem Taktstrich umgebrochen werden.73 Die weiteren Ausführungen klammern diese Fälle aus und beschränken sich zum Auffinden geeigneter Umbruchstellen ausschließlich auf die Taktstriche. Rein rechnerisch kann ein aus n Takten bestehendes Musikstück auf 2n−1 ver-schiedene Arten in mehrere Akkoladen umgebrochen werden,74 d.h. jeder weitere Takt verdoppelt die Anzahl der theoretisch denkbaren Taktverteilungen. Für eine nur zehntaktige Komposition ergeben sich bereits 512 unterschiedliche Kombinatio-nen, bei elf Takten sind es schon 1024, von denen der weitaus größte Teil aufgrund ungeeigneter Streck- bzw. Stauchwerte allerdings keine praktische Relevanz besitzt. Das exponentielleWachstum der denkbaren Taktanordnungen verhindert selbst auf schnellen Rechnern ein Durchprobieren aller Möglichkeiten, so daß ein effektives Verfahren herangezogen werden muß, um ungeeignete Umbruchstellen frühzeitig zu erkennen und diese umgehend von den weiteren Berechnungen ausschließen zu können. Dieses Forderung ist keine ausschließlich notengraphische, denn auch beim Textsatz stellt sich ein ähnliches Problem, mit dem einzigen Unterschied, statt zu weiter bzw. enger Notenabstände, zu große bzw. zu kleine Wortzwischenräume zu vermeiden. Schon im Jahr 1981 veröffentlichte Donald Knuth ein Verfahren, das die optimalen Umbruchstellen für Textzeilen eines Absatzes errechnet.75 Bis heu-te findet es Anwendung in seinem Textsatzsystem TEX. Da der Algorithmus zum Umbrechen von Akkoladen einige Elemente des Knuthschen Verfahrens aufgreift und verallgemeinert, sollen diese nun kurz dargestellt werden. Die Kernidee ist dabei folgende: Sämtliche Wörter werden in Boxen konstanter Breite verpackt und anschließend mit virtuellem Leim (glue) variabler Breite »ver-klebt «. Je mehr Leim sich letztlich zwischen zwei Wörtern befindet, desto größer fällt ihr Abstand aus. Die von Knuth eingeführte Bezeichnung glue scheint etwas 73 Vgl. Chlapik (1987), S. 34. 74 Von den n Taktstrichen kommen nur die ersten n−1 als mögliche Umbruchstelle in Frage. Es Möglichkeiten, k unterschiedliche Takte daraus auszuwählen, so daß sich für die gibt k = 2n−1 ergibt. n−1 k=0 Gesamtzahl aller Möglichkeiten die Summe k 75 Vgl. Knuth und Plass (1981).