5.4 Zeilenumbruch und Randausgleich 169 Der Proportionalitätsfaktor k wird Federhärte oder Federkonstante genannt und ist ein Maß dafür, wie leicht die Feder verformt werden kann. Soll also eine Textzeile der Länge L auf die Länge L0 verkürzt oder verlängert werden, erfordert dies bei n in der Zeile enthaltenen Federn den Kraftaufwand F(L0 − L) = k n · (L0 − L). Unglücklicherweise gilt dieser Zusammenhang nicht für beliebige Zeilen, sondern ausschließlich für solche, die sich durch die folgenden Eigenschaften charakterisieren lassen: 1. Alle Federn besitzen im entspannten Zustand die Länge l. 2. Alle Federn besitzen dieselbe Federkonstante k. 3. Die ideale Zeilenlänge liegt dann vor, wenn sich sämtliche Federn im ent-spannten Zustand befinden, also für alle Federkräfte Fi = 0 gilt. Textzeilen mit variablen Wortzwischenräumen und fixen Buchstabenabständen er-füllen diese Bedingungen, Notenzeilen aber leider nicht, denn zum einen basieren die Notenabstände und ebenso die Federlängen auf variablen Notenwerten. Folglich liegt eine Verletzung der ersten Bedingung vor. Zum anderen orientieren sich die Federkonstanten ebenfalls an den Notenwerten, so daß das Hinterfleisch einer Hal-ben Note zum Erhalt der Abstandsproportionen bei gleichem Kraftaufwand stärker variiert werden muß als dasjenige kleinerer Notenwerte – eine Verletzung der zwei-ten Bedingung. Schließlich kann, wie schon im Abschnitt 5.3 angedeutet wurde, auch die dritte Bedingung nicht garantiert werden. Zusätzliche Versetzungszeichen, Fähnchen und weitere Notationselemente erfordern, besonders bei dicht gesetzten Noten, mehr als durch die Notenabstände zur Verfügung gestellten horizontalen Platz. Die betroffene Feder, deren Länge sich aus den Grundabständen errechnet, wird also allein aufgrund der Symbolkonstellation um die fehlende Differenz vorge-spannt: 78 Anders als bei Textzeilen, besteht offenbar kein linearer Zusammenhang zwischen Zeilenverlängerung bzw. -verkürzung und benötigtem Kraftaufwand. Beim Aus-einanderziehen einer Akkolade werden zunächst alle entspannten Federn gespannt, die Längen der vorgespannten Federn bleiben unverändert. Erst wenn die wirkende Kraft die Spannkraft einer vorgespannten Feder erreicht und übersteigt, beteiligt sie sich an der Zeilenverlängerung. Je stärker eine Akkolade also verlängert wird, desto mehr vorgespannte Federn kommen nach und nach ins Spiel und verrin-gern demzufolge die Härte des gesamten Federsystems.79 Während die Federn zum Verlängern einer Notenzeile nahezu beliebig auseinandergezogen werden können, 78 Vgl. auch Hegazy und Gourlay (1987), S. 5. 79 Wenn k1, . . . , kn die Federkonstanten von n hintereinanderhängenden Federn bezeichnen, dann beträgt die Kraft F(x), die erforderlich ist, um das gesamte Federsystem um x Einheiten zu