5.4 Zeilenumbruch und Randausgleich 171 Im Vergleich zum Zusammendrücken erfordert das Strecken bei gleicher Längen-differenz also einen betragsmäßig kleineren Kraftaufwand. Dies spiegelt die von jedem Notensetzer angestrebte Vermeidung zu enger Notenbilder wider, welche infolge zunehmend vorgespannter Federn die Umsetzung notenwert-basierter Ab-standsproportionen verhindern. Im Zweifelsfall ist es somit vorteilhafter die Ak-kolade auseinanderzuziehen, als sie zusammenzustauchen. Unter Berücksichtigung des Hookeschen Gesetzes (5.7) besitzt jede Feder aus den genannten Gründen eine zweiteilige Federkonstante k, die von der Verformungsrichtung abhängt und mit den obigen Festlegungen die Gestalt 1 s+ ∀ x ≥ 0 1 s− ∀x < 0 k(x) = (5.8) erhält. Wie bereits erwähnt, können die Federn zwar relativ problemlos auseinander-gezogen werden, beim Zusammendrücken ist jedoch Vorsicht geboten, denn zum einen dürfen vorgespannte Federn nicht gestaucht werden und zum anderen müs-sen die Notensymbole zur Kollisionsvermeidung einen Minimalabstand einhalten. Letzterer gleicht nicht notwendigerweise der minimalen Federlänge und ist deshalb den Federeigenschaften als vierter Parameter hinzuzufügen. Gourlay bezeichnet diese Distanz, bei der benachbarte Akkordgruppen zusammenstoßen, als blocking width, da die extreme Notenkonstellation eine weiteres Stauchen der betroffenen Feder verhindert und den Verformungsprozeß quasi blockiert.82 Die blocking with – im folgenden mit b bezeichnet – dient aus anschaulicher Sicht als Abstandhal-ter zwischen den Noten.83 Demzufolge beträgt die minimale Distanz zwischen zwei Akkordgruppen und damit die kleinstmögliche Federlänge lmin = max{b, l − s−}. Zusammenfassend kann aus den bisherigen Ausführungen festgehalten werden, daß sich eine zwischen zwei benachbarten Akkordgruppen befestigte virtuelle Fe-der durch das Zahlentupel (l, b, s+, s−) sowie den Forderungen F(s+) = 1 und F(s−) = −1 eindeutig charakterisieren läßt. Von elementarer Bedeutung für das Auffinden der optimalen Umbruchstellen ist nun das Zusammenspiel aller Federn der potentiellen Akkoladen, denn nicht die erforderliche Kraft zur Verformung ei-ner isolierten Feder entscheidet über die Güte einer Trennstelle, sondern der Kraft-aufwand bezüglich des gesamten Federsystems ist ausschlaggebend. Ein zentraler Aspekt zur Umsetzung des Algorithmus’ ist somit die Berechnung dieser Kraft zu einer vorgegebenen Längenänderung. Die zu lösende Aufgabe lautet mit anderen Worten: Angenommen, die aktuelle Akkolade der Länge l besteht aus den Tak-ten α bis β des darzustellenden Notentextes. Zur Herstellung des Randausgleichs muß ihre natürliche Länge um x Einheiten variiert werden. Wie groß ist die dazu erforderliche Kraft und wieviel Prozent fallen davon auf jede Feder? 82 Vgl. Gourlay (1987), S. 2. 83 Lippold Haken und Dorothea Blostein ließen diese Vorstellung in die Modellierung ihres Verfahrens zur Notenausrichtung einfließen, indem sie neben verformbaren Federn, starre rods (Stangen) bestimmter Länge zwischen den Noten plazierten (Haken und Blostein (1995), S. 118).