180 Balken und Bögen 6.1 Balken 6.1.1 Die Balkenlage Bevor der Notenstecher mit der Gravur eines Balken beginnen kann, muß fest-stehen, ob er über oder unter den zu gruppierenden Noten verlaufen soll. Bei mehrstimmigen Systemen ist die Lage schnell bestimmt, denn sie entspricht der Notenhalsrichtung: Im Falle aufwärts gerichteter Hälse verlaufen die Balken über den Notenköpfen, bei abwärts gerichteten unterhalb. Interessant wird es erst, wenn im aktuellen Notensystem nur eine Stimme vorhanden ist. Bekanntermaßen zeigen dann die Hälse unterhalb der Mittellinie befindlicher Noten nach oben, die restli-chen nach unten. Wo liegt aber der Balken, wenn der Gruppe sowohl Noten über als auch unter der Mittellinie angehören? In diesen Fällen ist der moderne Noten-satz dazu übergegangen, alle beteiligten Notenhälse in dieselbe Richtung zeigen zu lassen, also ggf. von der standardmäßigen Halsrichtung abzuweichen und sie umzu-kehren. Dabei entscheiden sowohl die ursprüngliche, »originale« Halsrichtung als auch die Entfernung der Notenköpfe von der Mittellinie über die endgültige Lage des Balkens, indem zunächst folgende Differenzensumme berechnet wird:1 n L := (yk − y) k=1 In dieser Formel bezeichnet y die vertikale Position der aktuellen Mittellinie und y1, . . . , yn die vertikalen Koordinatenkomponenten der n zu verbalkenden Noten. Die Balkenlage selbst ergibt sich schließlich aus einem Vergleich des Ergebnisses mit Null: Ist L ≥ 0, liegt der Balken oben – d.h. auch alle Hälse zeigen nach oben –, sonst unten.2 Statt der eindeutigen Balkenlage kam in älteren Stichen auch eine Mischform zum Einsatz, bei welcher der Balken zwischen den Notenköpfen liegt und sowohl aufwärts- als auch abwärtsgerichtete Hälse verbindet. Die Balkensetzung mit der Bezeichnung Knie wurde häufig zur Vermeidung extremer Halslängen im Falle großer Notenkopfdistanzen angewandt: oe oe oe oe oe oe statt oe oe oe oe oe oe Der heutige Notensatz verzichtet auf diese Variante und fordert in aller Regel eine einseitige Balkenlage. Eine häufig bei Klavier-, Orgel- oder Harfennoten auftreten-de Ausnahme stellt jedoch die Notenverbalkung zwischen benachbarten Systemen mit unterschiedlichen Schlüsseln dar. Indem eine Stimme ihr primäres Notensy-stem verläßt, um im darüber- oder darunterliegenden fortzufahren, können aus den 1 Vgl. Wanske (1988), S. 152. 2 Bei der Implementation ist die Orientierung der y-Achse zu berücksichtigen. Im Gegensatz zu der in der Mathematik üblichen Achsenorientierung wachsen die y-Achsen-Abschnitte der meisten Graphikschnittstellen von oben nach unten. Um korrekte Ergebnisse zu erhalten, muß L folglich mit −1 multipliziert werden.