6.2 Bögen 189 Diese Worte deuten bereits an, daß sich die Stecher – nach Haders Beschreibung anscheinend völlig unbewußt – doch an beschreibbaren Bogenkriterien orientier-ten. Sola und Wanske haben sie unabhängig voneinander herausgearbeitet. Eine zentrale Erkenntnis ist dabei die der Symmetrie, die bei Anwendung eines Zirkels, zumindest bei kurzen Bögen, handwerklich erreicht werden kann. Der Scheitelpunkt eines normalen Bogens befindet sich im Idealfall, unabhängig von Bogenlänge und -krümmung, immer in der Bogenmitte, auch wenn sein Anfangs- und Endpunkt nicht auf einer Höhe liegen. Helene Wanske beschreibt dies folgendermaßen: »Der Bogen ist in seiner Grundgestalt eine Ellipsenhälfte, allerdings mit abgeflachtem Anfang [...] und Ende.«24 Das bedeutet also, daß die Grundgestalt unabhängig von der Bogenlage immer gleich bleibt. Bei schräg verlaufenden Bögen liegt somit – wie auch dem obigen Zitat von Sola zu entnehmen ist – lediglich eine Rotation um einen der Endpunkte vor. So viel Wanskes Beschreibung einer am Ende abgeflachten elliptischen Form auch über das grobe Aussehen eines Bogens aussagt, so wenig kann dennoch für die computergenerierte Modellierung daraus gewonnen werden, denn sie führt nicht näher aus, ab welcher Stelle der Ellipsenverlauf abflacht und in welchem Maße dies geschieht. Genaugenommen liegt nämlich kein Ellipsenbogen, sondern eine para-belförmige Kurve vor. Sola bestätigt dies unter anderem, indem er seine Bögen durch symmetrische Bézier-Kurven modelliert. Dabei handelt es sich um gekrümm-te Strecken, die in Parameterform durch spezielle kubische Polynome mit vektori-ellen Koeffizienten beschrieben werden können.25 6.2.1 Geometrische Modellierung der Bögen Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten gekrümmte Linien auf dem Bildschirm aus-zugeben. Entscheidend für die Wahl einer bestimmten Technik ist einerseits ihre Flexibilität, denn schließlich soll ein gestochener Bogenverlauf möglichst gut nach-geahmt werden. Andererseits dürfen die Berechnungen nicht zu aufwendig werden, da neben der automatischen Bogengestaltung noch viele weitere Algorithmen an der Generierung des gesamten Notenbildes beteiligt sind, deren aufsummierte Re-chenzeit nicht zu unterschätzen ist. Ein möglicher Kurventyp wurde bereits angedeutet: Bézier-Kurven. Sola be-gründet seine Wahl mit der einfachen Handhabung dieser Kurven sowie ihrer Ver-fügbarkeit in der Druckersprache PostScript. Da das in dieser Arbeit konzipierte Notenmodul vorrangig Bildschirmausgaben produzieren soll, spielt das zweite Ar-gument keine Rolle, ist für qualitativ hochwertige Druckerausgaben, wie sie von No-tendrucksystemen erwartet werden, aber ein wichtiger Vorteil. Aus diesem Grund greifen nahezu sämtliche dieser Programme auf Bézier-Kurven zurück.26 Die Hand-habung dieser Kurven ist tatsächlich relativ einfach, doch bereitet der dritte Poly-nomgrad bei den zur Bogenkontrolle notwendigen Berechnungen unnötige Schwie-rigkeiten. Aus diesem Grund soll an dieser Stelle eine einfachere, alternative Kur- 23 Sola (1987), S. 98. 24 Wanske (1988), S. 47. 25 Näheres dazu findet kann u.a. in Foley et al. (1993), S. 489 nachgelesen werden. Die mathe-matische Beschreibung auf S. 104 in Sola (1987) ist leider fehlerhaft. 26 Vgl. dazu auch Nienhuys und Nieuwenhuizen (1999).