Präludium 9 Corpora durchgearbeitet werden. Analytische Probleme aus der Musikgeschichte des 18./19. Jahrhunderts haben ganz andere Eigenheiten als wir sie etwa in Proble-men der lateinischen Einstimmigkeit, also des Chorals, oder in den modal so ver-zwickten Landschaften des 15. und 16. Jahrhunderts antreffen.Für solche wie andere Corpora gab und gibt es immer Spezialisten. Hinderlich ist, dass es, metaphorisch ausgedrückt, einen recht langen, sehr mühseligen Fußweg erfordert, bis man sich durchs Material hindurch gekämpft und bei den interessan-ten Problemen gelandet ist. Es ist zum Beispiel allgemein bekannt, dass Sänger der älteren liturgischen Gesänge mit Floskeln oder Formeln arbeiten, die sie in ganz be-stimmter Weise immer wieder verwenden, und zwar zur zünftigen Artikulation ih-rer Texte. Wer das glaubt und damit zufrieden ist, benötigt nicht mehr. Wer aber diesen Fall der dauernden Wiederverwertung musikalischen Materials selber unter-suchen möchte, wird tausende von Melodien nach dem Gleichen und Ähnlichen ab-klopfen müssen. Es wäre angenehm, mit computergestützter Hilfe solche Suchaktio-nen verkürzen und damit direkt in die Forschung einsteigen zu können.Meines Wissens ist die Problemlage seit den fünfziger Jahren des letzten Jahr-hunderts bekannt. Arthur Mendel von der Princeton University hat sich damit be-schäftigt, scheiterte aber aufgrund der damaligen Schwierigkeiten mit den vorhan-denen Computersystemen. Heute ist die Sachlage ganz anders: Computer sind bil-lig, deren Handhabung – eben darum der Hinweis auf das iPad – lässt sich vereinfa-chen. Wie dem aber auch immer sei: wir benötigen die Hilfe aller, die sich der musi -kalischen Analyse widmen, um relevante Fragestellungen zu finden. Ich nehme an, dass Hartmuth Kinzler sich auch an solchen zukünftigen Unternehmungen genau so einfallsreich beteiligen wird, wie er das seit Jahrzehnten getan hat.