» Ich höre was, was du nicht siehst …« 15 durchaus zweischneidig, insofern damit zum einen die Einbuße der sonst mittels ei-ner Partitur gewährten Sekurität eines auktorialen Leitfadens einhergeht und die musikwissenschaftliche Auseinandersetzung mit den elektroakustischen Komposi-tionen – nicht zuletzt von einer keinesfalls gering zu schätzenden psychologischen Verunsicherung beeinträchtigt – in nicht unerheblichem Maße erschwert sein mag. Zum anderen eröffnet jedoch der rein auditive Zugang überaus produktive Per-spektiven, indem das Hören emanzipiert und in sein angestammtes Recht versetzt wird, frei von den Fesseln einer parallelen Notenlektüre alle Konzentration allein auf das uneingeschränkte und solchermaßen ungemein intensivierte musikalische Klangerlebnis auszurichten. Zugleich erfahren die bei überlieferter Musik wissen-schaftlich als inopportun bemängelten, aber wohl bei den meisten während einer Werkdarbietung mitschwingenden Assoziationen ihre Legitimation, wobei die sub-jektiven Eindrücke, die von den – nicht selten mimetischen – Schallereignissen aus-gelöst werden, methodisch als integraler Bestandteil der analytischen Reflexion be-handelt werden müssen, da die Interpretation der konnotativen Dimensionen, die von den Klangbildern hervorgerufen werden, musikwissenschaftlich unumgänglich ist. Geschieht somit eine Befreiung des musikalischen Hörens einschließlich vielfäl-tig sich mitteilender semantischer Implikationen, dann folgt daraus gleichsam eine Humanisierung der Analyse, die im Kontext der akusmatischen Musik äußerst eng an das apperzipierende Individuum, an dessen Emotionalität und psychische Reak-tionen rückgebunden wird. Allerdings ist ein gleichermaßen selbstbewusstes wie selbst sich reflektierendes Hören gefordert, das solchen Herausforderungen stand-hält, indem es auf seine eigenen Fähigkeiten als das primäre Werkzeug der akusma-tischen Analyse zunächst einmal bedingungslos vertraut.Vor dem Hintergrund der unausweichlichen Notwendigkeit, die jeweilige sub-jektive Wahrnehmung musikwissenschaftlich versuchsweise zu objektivieren, kommt schließlich auch bei der akusmatischen Analyse erneut die Praxis einer Ver-schriftlichung der Musik ins Spiel, insofern der Mensch immer noch – und heute vielleicht in der Flut schier allgegenwärtiger Bilder besonders sogar – die Wirklich-keit (beziehungsweise das, was er dafür hält) vorrangig über eine optische Vermitt-lung rezipiert. Die von Stockhausen gezeichnete Aufführungspartitur der » Kontakte für elektronische Klänge, Klavier und Schlagzeug « ,14 auf deren Basis die Instrumen-talisten ihre Aktionen mit den Moment-Strukturen des Zuspielbandes koordinieren sollen, seine sogenannte Mitlese-Partitur der » Hymnen « 15 und Rainer Wehingers Hörpartitur von György Ligetis » Artikulation « 16 können als die frühesten Proto-typen visualisierter Werkanalysen betrachtet werden, die dazu verhelfen sollen, die abgebildeten musikalischen Sachverhalte besser zu begreifen und anderen zu kom-munizieren. Eine umfassende Erörterung diverser seitdem entwickelter Transkrip-14 London 1966, Neuausgabe Kürten 1995; unter einer graphischen Transkription der elektronischen Klänge sind synchron die Instrumentalpartien notiert.15 Wien 1968; die Mitlese-Partitur bietet eine » approximative Transkription der figurativen Elemente « (Partiturnotiz S. 1) auf einem herkömmlichen Notensystem.16 Mainz 1970.