» Die Vorstellung … ist der Anknüpfungspunkt für die musikalische Bildung « 23 lungsvermögen wirke schließlich auf die Festigung von Begriffen, auf das Verglei-chungsvermögen sowie auf die gesamte Geistestätigkeit.Praxis: Was bedeutet das nun praktisch? Die Lehrstoffe sind für Lina Ramann die Musikstücke selbst. Sie erzeugten in den Kindern und Jugendlichen Vorstellun-gen: » Die musikalischen Bilder – diese Benennung dürfte vielleicht die in Musik umgestimmte Anschauung ausdrücken […].« 15 Handelte es sich nicht um Musik, werde das Angeschaute zur Vorstellung und zum Begriff durch die Sprache. Doch auch die Vermittlung von musikalischer Vorstellung und Gefühl erfolge durch die Sprache. Damit aber die Musik trotzdem für sich sprechen kann, um Vorstellungen zu erzeugen, bedürfe es Überschriften zur Musik, die als Fingerzeige und Anhalts-punkte dienen. Erzieherische Wirkung könne eben nur die Musik haben, die Vor-stellung und Stimmung der Musik in sich vereint; daher müsse diejenige Musik be-rücksichtigt werden, die angemessen für Kinder sei: eher heitere denn traurige Mu-sik. Die musikalischen Stimmungsbilder seien besonders solche, die dem Alltagsle-ben, den Jahreszeiten oder der Phantasiewelt der Märchen entlehnt sind.16 Schließ-lich nennt Ramann eine Vielzahl von aus ihrer Sicht gelungenen Musikstücken, be-sonders aber:Unter allem Spielmaterial wüsste ich kaum eines zu nennen, welches dasselbe mehr veranschaulichte, wie die kleinen Stückchen aus Th. Kul lak’s ›Kinder-leben‹. Z. B. das Schaukeln der Wiege im ›Wiegenliedchen‹, das Wiegen des Kahns auf dem Wasser in ›Schifflein auf dem See‹, das Zusammenlaufen der Kinder zum Spiel in dem ›Spielchen auf der Wiese‹ (durch die aufsteigende Tonleiter etc.), sodann der geschlossene Kreis (durch die Doppelgriffe, welche gleichsam zur Rundbogenlinie werden), u. dgl. m. Diese Symbolik ist spre-chend und macht es unnötig, die charakteristischen Momente eines Musik-stückchens den Kindern zu erklären; sie finden sie selbst, freuen sich daran und reproduzieren in ihrer Vorstellung eigen Erlebtes.17 Wie intensiv Ramann die Werke Theodor Kullaks in der eigenen musikpädagogi-schen Praxis einsetzte,18 belegt der » Bericht über die 25jährige Thätigkeit (1865–1890) der Ramann-Volckmann’schen Musikschule zu Nürnberg « von I[na?] Loeh-ner,19 einer Lehrerin an dieser Musikschule.20 Das auf Seite 22 abgedruckte Beispiel 15 Ramann: Allgemeine musikalische Erzieh- und Unterrichtslehre, § 44, S. 104 (s. Anm. 11).16 Ebd. § 44, S. 104ff.17 Ebd. § 45, S. 108.18 S. a. Lina Ramann: Die Musik als Gegenstand des Unterrichtes und der Erziehung. Vorträge zur Be-gründung einer allgemein-musikalischen Pädagogik. Für Künstler, Pädagogen und Musikfreunde, gehalten im Winter 1866/67 an der Ramann-Volkmann’schen Musikschule zu Nürnberg, Leipzig 1868, S. 72.19 I[na?] Loehner: Bericht über die 25jährige Thätigkeit (1865–1890) der Ramann-Volckmann’schen Mu-sikschule zu Nürnberg, Albrecht-Dürerplatz Nr. 513, o. O. 1890.20 Überdies widmete Lina Ramann dem Direktor der Neuen Akademie der Tonkunst in Berlin, Prof. Dr. Theodor Kullak, ihre » Allgemeine musikalische Erziehung- und Unterrichtslehre « (21898) » in herz-licher Hochachtung « . Der Begriff der » musikalischen Bilder « findet sich übrigens auch schon bei Wil -helm Tappert, ebenfalls Lehrer an der Neuen Akademie der Tonkunst in Berlin. Auch er argumentiert