» Die Vorstellung … ist der Anknüpfungspunkt für die musikalische Bildung « 25 Knaben singen!« .24 Es handelt sich hierbei um sogenannte Geschichtsbilder, die durch Erzählungen generiert werden. Im Anschluss oder zur Vertiefung dieser » er-arbeiteten Bilder « , auch buchstäbliche Bilder (z. B. Historienbilder) oder » Kulturbil-der « , bietet sich dem Gesanglehrer in der Sexta oder Quinta » ein weites Feld zur Il-lustration der Thatsachen der Geschichte, zur Erzeugung von typischen Bildern, zur Erweiterung der im deutschen Unterricht erarbeiteten Vorstellungen « .25 Im Schwer-punkt steht hier das bereits konstruierte (Geschichts-)Bild, das durch den Gesang il-lustriert und erweitert wird. Das freie Vorstellungsvermögen von Seiten der Kinder und Jugendlichen im Sinne von Ramanns » musikalischen Bildern « bleibt hier weit-gehend unberücksichtigt, doch können die Kinder, ausgehend von Geschichten, Er-zählungen und illustrierten Liedern, immerhin durch die eigene Vorstellung Bilder kreieren.Neben den realen geschichtlichen Erzählungen existieren auch Ideen, den Hö-rern ein Programm als Verstehenshilfe mit an die Hand zu geben. Hier war es be-sonders Franz Liszt, der für (erwachsene) Laien musikpädagogische Überlegungen anstellte. In seinen 1855 erschienen Beiträgen in der » Neuen Zeitschrift für Musik « sowie in seinen von Lina Ramann » Gesammelten Schriften « (1880–1883) expliziert Liszt das Problem,26 das für viele Hörer Musik eine » geheimnisvolle Sprache « sei: » Wir wollen gern zugestehen, daß unsere Kunst nicht befähigt ist, ein Charakter-bild, überhaupt ein Object, sofern deutlich und vollständig vor das Auge zu brin-gen, wie Dichtkunst und Bildnerei. […] Sie vermag nicht zu nennen, zu definieren, wer du bist.« Zwar existierte das Gefühl in der unmittelbaren Musik » auch ohne bildliche Hülle « ,27 doch könne, so Liszt, ein Programm eine musikpädagogische Maßnahme zur Förderung des allgemeinen Musikverständnisses sein, das dem Er-klärungsbedürfnis, besonders seit der Instrumentalmusik Beethovens, Rechnung trägt. Um beim Hörer innere Bilder hervorzurufen, sieht Liszt programmatische Werke der Dichtkunst, » philosophische Epopöen « , als geeignete Mittel zur Verste-24 K[arl] Bormann: Schulkunde für evangelische Volksschullehrer auf Grund der Preußischen Regula -tive vom 1., 2. und 3. Oktober 1854 über Einrichtung des evangelischen Seminar-, Präparanden- und Elementarschul-Unterrichts, Berlin 161870, S. 169 und K[arl] Bormann: Unterrichtskunde für evange-lische Volksschullehrer auf Grund der Preußischen Regulative vom 1., 2. und 3. Oktober 1854 über Einrichtung des evangelischen Seminar-, Präparanden- und Elementarschul-Unterrichts (= Schulkun-de für evangelische Volksschullehrer auf Grund der Preußischen Regulative vom 1., 2. und 3. Okto-ber 1854 über Einrichtung des evangelischen Seminar-, Präparanden- und Elementarschul-Unter-richts, Zweiter Theil), Berlin 31857, S. 191.25 Karl Schmidt: Beiträge zur rationelleren Gestaltung des Gesangunterrichtes an den Gymnasien, mit besonderer Berücksichtigung der hessischen Verhältnisse, in: Großherzoglich-Hessisches Gymna -sium Fridericianum zu Laubach. Bericht über das Schuljahr 1897–98 (1898), [Grünberg 1898], S. 3–22, hier S. 11ff.26 Vgl. im Folgenden Eckhard Nolte: » … indem es die Zahl der Verstehenden und Genießenden mehrt « – Musikpädagogische Aspekte in Franz Liszts Konzeption der Programm-Musik, in: Musikalisches Lernen außerhalb von Schule. Sitzungsbericht 1998/1999 der Wissenschaftlichen Sozietät Musikpäd-agogik, hrsg. von Ursula Eckart-Bäcker (= Musikpädagogik. Forschung und Lehre, Beiheft 9), Mainz u. a. 2001, S. 48–63, hier S. 48ff.27 Liszt zit. n. ebd., S. 50ff.