52 Bernd Enders Pedalisierung erfasst. (Das bedeutet nicht, dass damit alle musikalisch rele-vanten Feinheiten des Klavierspiels bzw. der gespielten Flügel mit ihren spezi-fischen Klangnuancen 100 % Prozent simuliert werden können.)Zwar sind Computeralgorithmen, die zur Erfassung einer musikalischen Struk-tur entwickelt wurden, keineswegs so perfekt, dass sie die menschliche Leis-tung etwa bei der harmonischen Analyse problemlos ersetzen könnten. Eine harmonische Analyse der vorliegenden MIDI-Datei, z. B. mit dem populären und vielseitigen Composer-Programm » Band-in-a-Box « , scheitert z. B. voll-ständig (und erklärlich) an den einstimmigen skalendominierten Achteltonket-ten des Finalsatzes, während z. B. die Harmonien der akkordlastigen, durch weitgriffige Dezimenarpeggien bestimmten Klavieretüde Nr. 1 aus op. 10,72 dem Schwellenwertstück für junge Pianisten, sofort automatisch korrekt er-kannt werden, so dass es kein Problem ist, dann z. B. ein Arrangement in ei-nem auszuwählenden Jazz- oder Popstil (» Style « ) errechnen und mit adäqua-tem Instrumentarium klanglich generieren zu lassen. Jedoch erlaubt die com-puterbasierte Transformation einer als MIDI-Datei informatisch vorliegenden Musikstruktur weitreichende und teilweise auch voneinander isolierte Ände-rungen der verschiedenen Parameter, so dass die jeweils erzielten musika-lischen Effekte leicht miteinander in Bezug gesetzt und verglichen werden können. Zur Verdeutlichung dieser vom Komponisten für den Interpreten möglicherweise eröffneten kreativen Aspekte soll eine am Computer arrangierte Version für eine Jazzcombo dienen, die gleichzeitig die Eignung des als besonders sperrig beurteil-ten Stücks für (» leichter verdauliche?« ) Klassikadaptionen beweist. In die Version eingegangen sind sowohl Cholopows harmonisch-melodische Analyse als auch in-dividuell empfundene melodische Entwicklungen aus den Spitzentönen, die im Ar-rangement durch je eine eigene Solo- und Bassstimme klanglich hervorgehoben werden. (Es wurden keine Töne hinzugefügt oder weggelassen!). MUSIKBEISPIEL 3a: Version für Jazzcombo (ohne drumset)Arrangement mit Hammond-Orgel, Vibraphon, Gitarre und Bass. Die Melo-diestimme wird durch Akzentuierung von Motiven der Hammond-Orgel (Na-tive Instruments B2) übergeben, durch Betonung und Verlängerung der ›Spit-zentöne‹ gemäß den vorliegenden harmonischen Modellen sowie Auslassung von ›Übergangstönen‹, Hervorhebung der Grundtöne durch gezupften Kon-trabass (Broomstick-PlugIn) und Harmonisierung durch Gitarrenakkorde, die unveränderte Originalstimme wird vom Vibraphon gespielt.72 Chopins Etüde 10,1 weist gewisse Ähnlichkeiten mit dem Finalsatz der b-Moll-Sonate auf, da es ebenfalls einstimmig geschrieben wurde, mit wellenförmigem Auf und Ab der Melodielinie, mit im-mer gleichen – pulsierenden – Notenwerten, aber im völligen Gegensatz dazu eben mit gebrochenen Akkorden ausgesprochen harmonisch orientiert ist.