Hanns Eisler: » Kriegslied eines Kindes « Hanns Eisler: » Kriegslied eines Kindes « , » Zeitungsausschnitte für Gesang und Klavier « op. 11, Nr. 4 Sabine Giesbrecht Die Katastrophe des Ersten Weltkrieges mit ihren politischen Konsequenzen wirkte sich insbesondere auf jene Künstler aus, die selbst an der Front gekämpft hatten und ihre Erlebnisse in den Folgejahren verarbeiten mussten. Zu ihnen gehört Hanns Eisler, der 1916 als 18-Jähriger seine Einberufung erhielt und im Herbst 1919 ver-wundet in seine Heimatstadt Wien zurückkehrte. Hier wurde er Privatschüler Ar-nold Schönbergs und schloss sich dem Kreis der Komponisten an, die sich einerseits der Tradition verpflichtet fühlten, andererseits jedoch mit der Abkehr von der spätromantischen Tonalität eine viel beachtete und ebenso kritisierte Neubestim-mung des musikalischen Materials vornahmen.Ausgestattet mit den im Umfeld der zweiten Wiener Schule erworbenen kompo-sitorischen Kenntnissen und Erfahrungen übersiedelte Eisler 1925 nach Berlin, wo der Lieder-Zyklus » Zeitungsausschnitte für Gesang und Klavier « entstand und im Dezember 1927 uraufgeführt wurde. Das Kulturleben dieser Stadt zog ihn in seinen Bann. Er ließ sich anregen von ak-tuellen Theateraufführungen, wie sie zum Beispiel Erwin Piscator, der Regisseur der » Volksbühne « darbot, der einen neuartigen Inszenierungsstil erprobte, wobei er dokumentarisches Material über den Ersten Weltkrieg 1 zu einer monumentalen Sze-nenfolge auf die Bühne brachte. Dieses experimentelle politische Zeittheater faszi-nierte ihn unter anderem wegen seiner realitätsnahen Inhalte und der exaltierten Form der Darstellung. Seine Verwundung und die Erinnerungen an den allgegen-wärtigen Tod auf dem Schlachtfeld ließen ihn nach starken künstlerischen Aus-drucksformen suchen, die er in expressionistischen Konzepten, wie sie Piscator ent-wickelte, verwirklicht sah.Mit dem » Kriegslied eines Kindes « entwarf er einen Text, der das Leiden an der Front in ungewohnt knapper Form thematisiert. Es versteht sich von selbst, dass 1 Vgl. Albrecht Betz: Hanns Eisler. Musik einer Zeit, die sich eben bildet, München 1976, S. 44. – Pisca-tors Inszenierung von 1925 bestand aus einer Montage aus » authentischen Reden, Aufsätzen, Zei -tungsausschnitten, Aufrufen, Flugblättern und Fotografien des Krieges « . Sein Engagement ist auf sei -ne Fronterlebnisse zurückzuführen, die ihn nach Aussagen seiner Witwe ein Leben lang prägten, so Maria Ley Piscator: Der Tanz im Spiegel. Mein Leben mit Erwin Piscator, Reinbeck 1989, S. 226ff., zit. nach: Martin Baumeister: Kriegstheater. Großstadt, Front und Massenkultur 1914–1918, Essen 2005, S. 248.