Hanns Eisler: » Kriegslied eines Kindes « 71 » Trara-tschindra … Ratata « Das zweite, für Form und Struktur des Liedes konstitutive Thema besteht aus Quar-ten, die als Signalintervalle in verschiedenartigen Funktionen bekannt sind. Im » Kriegslied « dominiert der militärische Gestus, der sprachlich durch lautmalerische Nachbildungen wie » Trara-tschindra « und musikalisch durch marschartig nach-schlagende Terzen und Punktierungen hervorgehoben wird. Mit ihnen lassen sich Erinnerungen an Blas- und Schlaginstrumente und an bekannte Jagd- und Soldaten-lieder oder Märsche wachrufen. » Trara « tönt die Trompete oder das Signalhorn, als deren charakteristisches Intervall sich die auftaktig gesetzte, ansteigende Quarte eingebürgert hat.21 Als Warnung vor brandgefährlichen Situationen verschafft sich bis heute die Feuerwehr lautstark Gehör mit ihrem durchdringenden Signal in Form einer durch Eile und » übermäßigen « Druck erweiterten Quarte, die als Alarmfigur für Gefahren aller Art fungiert. Mit » Tschindra « verbinden sich Vorstellungen vom Schellenbaum, der zusammen mit Schlagwerk und Pfeifen zur Vorhut marschieren-der Truppen gehört. Das später hinzugefügte » Ratata « in Takt 38 imitiert die Trom-mel. Alle diese Erscheinungen sind vorwiegend aus der Militär- und Jagdmusik be-kannt; sie können aber auch dem Klang von Lärm- und Spielzeuginstrumenten zu-geordnet werden und versetzen so das Publikum sowohl in die Welt der Militärmu-sik als auch ins Kinderzimmer.Die Struktur von » Trara « , » Tschindra « und » Ratata « ist durch Aneinanderrei-hungen eines einzigen Intervalls gebildet, der übermäßigen Quarte.22 Diese wird wiederholt oder umgekehrt und metrisch-rhythmisch verändert. In dieser Kombina-tion bildet sie das Material für ein eigenständiges Thema, das » Seitenthema « , wofür die gegenüber dem Mutter-Thema nachgeordnete Platzierung und die jeweils ver-schieden hoch ansetzende Tonhöhe des Eröffnungsintervalls sprechen.In ihrer Funktion als Signal wird die Quarte meist mit einem kurzen Auftakt und von unten nach oben eingesetzt, wodurch der Akzent auf den länger ausgehal-tenen Zielton fällt. Eisler hingegen legt das Tritonus-Thema zuerst in gleichmäßigen Vierteln absteigend und volltaktig an. Dadurch wird die erste Silbe betont und der Signalcharakter des Themas entschärft. Es klingt eher wie ein breit blökendes » Trára « .23 Anschließend erfolgt die Umrhythmisierung, indem der Tritonus in Auf-wärtsbewegung und beschleunigtem Tempo, punktiert und so phrasiert wiederholt wird, dass der Akzent nunmehr auf dem Zielton liegt. Diese Variante wird von der Klavierstimme rhythmisch verstärkt und wirkt wie die verrissene Karikatur eines Signals, wobei sich der dazu gehörige » Trara « -Text nicht mehr so recht dem melodi-schen Ablauf fügen will.24 Das zweite Thema endet mit einer weiteren Motiv-21 Jagdlied: » Trara, das tönt wie Jagdgesang « ; Wanderlied: » Hinaus in die Ferne mit lautem Hörner-klang « ; Kriegslied: » Ich hatt' einen Kameraden « , sowie Märsche wie der » Hohenfriedberger « u. a.22 Auch notiert als verminderte Quinte, was aber im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle spielt.23 Takt 5.24 Das dem gesamten fünften Takt unterlegte Wort » Trará « muss an dieser Stelle entweder wiederholt werden – wobei die vierte Wiederholung unvollständig bleibt – oder die punktierten Sechzehntel werden als eine Art Melisma nur auf » ra « gesungen.