Eine Frage des Abstands Ein kleiner Überblick über Probleme der algorithmischen Ermittlung optimaler Notenabstände Martin Gieseking Als Karl Hader, der Leiter der Wiener Notenstecherei Waldheim-Eberle, Ende der 1940er Jahre sein Buch » Aus der Werkstatt eines Notenstechers « veröffentlichte, herrschte im Kreise seiner Kollegen bereits die heimliche Sorge, einem aussterben-den Handwerk nachzugehen.1 Der im Vergleich zu anderen Handwerksvereinigun-gen sehr kleinen Gilde der Notenstecher fehlte es zunehmend an technisch und glei-chermaßen musikalisch interessiertem Nachwuchs, der bereit war, die anspruchs-volle vierjährige Ausbildung auf sich zu nehmen. Aber auch der wachsende Zwang zur Ökonomisierung der Notenherstellung setzte den Verlagen und damit auch den Stechereien mehr und mehr zu. Die Herstellung einer einzigen Druckplatte erfor-derte nicht selten einen ganzen Arbeitstag und trieb damit den Preis für Musikalien in die Höhe. Neue, qualitativ schlechtere aber günstigere Verfahren machten den Notenstechereien derart Konkurrenz, dass der Notenstich schließlich immer selte-ner nachgefragt und nur noch bei hochwertigen Notenausgaben angewendet wur-de. Mit der Schließung vieler Notenstechereien starben schließlich auch die Stem-pelschneider sowie weitere spezialisierte Werkzeugmacher aus, die für die Herstel-lung der Stichwerkzeuge wie Rastrale, Stichel und Stahlstempel verantwortlich wa-ren und somit die Arbeit der Notenstecher erst ermöglichten. Mitte der 1980er Jahre beklagte der Leiter der Notensatzabteilung des Musikhauses Doblinger, Herbert Chlapik, resigniert das Sterben sämtlicher österreichischer Stechereien und damit den Anfang vom Verschwinden eines Handwerks sowie dem damit verbundenen Wissen:Es gibt keine Werkstätten mehr, in welchen Nachwuchs herangebildet werden könnte. […] Die Frage ist durchaus berechtigt, ob es nicht bei einigem guten Willen möglich gewesen wäre, wenigstens den Betrieb in einer Werkstätte noch aufrecht zu erhalten, um damit die Ausbildung hochqualifizierter Noten-graphiker auch für die Zukunft zu sichern.2 1 Vgl. Karl Hader: Aus der Werkstatt eines Notenstechers, Wien 1948, S. 9.2 Herbert Chlapik: Die Praxis des Notengraphikers, Wien 1987, S. 12.