80 Martin Gieseking tes widerspiegeln [sollen]« ,4 insbesondere also nicht konstant – wie zur Zeit der Mensuralnotation – oder gar beliebig sind. Verschiedene Untersuchungen haben nachgewiesen, dass diese Forderung kein verzichtbares, allein der Befriedigung no-tentypographischer Ästheten dienendes, abstraktes, grafisches Konstrukt darstellt, sondern gut gewählte Abstandsproportionen von hoher praktischer Relevanz sind, da sie sich direkt auf die Lesegeschwindigkeit beim Musizieren auswirken.5 Aber auch aus typografischer Sicht wirft die Forderung in Verbindung mit anderen Nota-tionsregeln eine ganze Reihe von Problemen auf, die zum Teil nur schwer eindeutig zu lösen sind, da oft verschiedene Notationsregeln in Konkurrenz zueinander treten und diese abhängig von konkreten Notenkonstellationen unterschiedlich gewichtet werden müssen. Zunächst stellt sich jedoch die Frage nach der Wahl der korrekten Grundabstände, die jeder Note oder Pause 6 im Idealfall zugewiesen werden.Die Grundabstände Die Tatsache, dass aus Platz- und Lesbarkeitsgründen kein linearer Zusammenhang zwischen Notenwert und Notenabstand besteht, ein doppelter Notenwert also nicht die Verdopplung des Abstands zur Folgenote bedeutet, liegt auf der Hand. Die ge-naue Wahl der Abstände relativ zum Notenwert wird in der Praxis aber von Verlag zu Verlag unterschiedlich gehandhabt. Auch in der vergleichsweise spärlichen Lite-ratur zum Regelwerk des Notensatzes finden sich voneinander abweichende, sich teilweise widersprechende Empfehlungen. Das ist vor dem Hintergrund der allge-meinen Praxis, auf die schriftliche Fixierung der eigenen Stichregeln zu verzichten und sie lediglich hausintern mündlich zu vermitteln, nicht verwunderlich. Auf die-se Weise bildeten sich unterschiedliche Präferenzen der Verlage, die auch heute noch fortgeführt werden.Da die endgültigen Abstände aller Notationselemente zueinander von einer Vielzahl weiterer Faktoren beeinflusst werden, bildet die Berechnung der Distanz einer Note zur Folgenote lediglich den Grundabstand. Dieser wird von zusätzlichen Komponenten, wie Notenköpfen im Sekundabstand, Versetzungszeichen oder Lied-text aber auch durch Abstandsvariationen zur Herstellung des Randausgleichs zwangsläufig verändert. Für die Charakteristik des gesamten Notenbildes ist die Wahl der Grundabstände aber dennoch eine wichtige Größe, da sie sich quasi wie 4 Helene Wanske: Musiknotation – Von der Syntax des Notenstichs zum EDV-gesteuerten Notensatz, Mainz 1988, S. 107.5 Vgl. u. a. John Sloboda: Phrase Units as Determinants of Visual Processing in Music Reading, in: Bri -tish Journal of Psychology 68/1 (1977), S. 117–124.6 Da alle Abstandsregeln gleichermaßen für Noten, Akkorde und Pausen gelten, wird im Folgenden nicht mehr zwischen diesen Notationselementen unterschieden. Wenn nicht anders angegeben, gel-ten für Noten getroffene Aussagen auch für Akkorde und Pausen. Der Begriff Akkord bezeichnet hier ein Notationselement, bei dem sich mehrere Notenköpfe (plus ggf. Versetzungszeichen und Wert-punkte) einen Notenhals teilen. Eine Note ist somit ein Spezialfall eines Akkords mit nur einem Kopf.