Eine Frage des Abstands 85 Der Abstand von Akkordgruppen Die einfachste Variante mehrstimmiger Notensätze liegt aus Sicht der Abstandsbe-rechnung immer dann vor, wenn wie im vorangehenden Notenbeispiel für jede Ak-kordgruppe die Summe aus ihrer Einsatzzeit und ihrem kleinsten Notenwert gleich der Einsatzzeit der unmittelbar folgenden Akkordgruppe ist. In diesem Fall stimmt die Dauer einer Akkordgruppe trivialerweise mit ihrem kleinsten Notenwert über-ein, so dass der Abstand leicht anhand dieses Notenwerts ermittelt werden kann. In den ersten drei Takten des oben abgebildeten Beispiels werden die Notenabstände durch die Mittelstimme eindeutig festgelegt. Die Abstände aller anderen Noten er-geben sich quasi automatisch, indem sie an derselben horizontalen Position der zu-gehörigen Akkordgruppe platziert werden.12 Aufgrund dieser Abhängigkeit sowie den nicht-linearen Eigenschaften der im vorangehenden Abschnitt erwähnten Ab-standsfunktionen, fallen die Abstände der » abhängigen « Noten im Vergleich zum Grundabstand größer aus, denn allgemein gilt für jede Abstandsfunktion ψ:Die Summe der Abstände der beiden Achtel sowie der punktierten Achtel aus dem vorangehenden Beispiel ist somit größer als der Grundabstand der doppelt punk-tierten Viertel, den sie erhalten hätte, wäre ihre Position nicht durch die anderen Stimmen vorgegeben. Demzufolge können aufgrund der Mehrstimmigkeit und der damit verbundenen vertikalen Ausrichtung der Noten einer Akkordgruppe Unre-gelmäßigkeiten bei den Abständen gleichlanger Noten auftreten. Diese fallen beson-ders bei repetierten Notenwerten in Verbindung mit Balkengruppen deutlich ins Auge. Je nachdem, wie stark die Abweichung vom Grundabstand ausfällt, kann dies durch leichte Abstandsvariationen ausgeglichen werden. Bei extremen lokalen Streckungen, wie etwa im zweiten Takt des folgenden Notenbeispiels, wird die Ab-weichung in aller Regel in Kauf genommen und nicht weiter behandelt, da ein ent-sprechender Ausgleich zu große Abstände zwischen diesen Noten ergeben würde. Wo allerdings genau die Grenze zu ausgleichbaren und » extremen « , zu akzeptie-renden Streckungen liegt, ist auch in diesem Fall nicht eindeutig erkennbar. Als gro-be Daumenregel gilt sicher, dass lokale Streckungen, die zu mehr als dem doppelten Grundabstand führen, nicht mehr sinnvoll zu kompensieren sind und demzufolge als » Ausreißer « akzeptiert werden.12 Dies gilt natürlich nur für vergleichsweise einfache mehrstimmige Notensätze. Bei komplexeren Kon-stellationen innerhalb eines Notensystems müssen vor der Ausrichtung der systemübergreifenden Akkordgruppen die Noten der lokalen Akkordgruppen jedes Notensystems einer Akkolade zueinander ausgerichtet werden. Vgl. Gieseking: Generierung interaktiver Notengraphik, S. 133–146 (s. Anm. 9). An dieser Stelle soll auf diesen Aspekt der Notenanordnung nicht weiter eingegangen werden.