Eine Frage des Abstands 89 Kenntnisse der musikalischen Zusammenhänge sowie gewisse Erfahrung und äs-thetisches Gespür erforderte.17 Anders als beim Textsatz gelten beim Notensatz deutlich strengere Vorgaben be-züglich der Aufteilung von Zeilen und Seiten. Während einzelne Textzeilen z. B. am Ende eines Absatzes kürzer als die übrigen ausfallen dürfen, müssen alle Akkoladen eines Notentextes immer bis zum rechten Rand reichen, damit die Zeilen links und rechts bündig abschließen. Eine Ausnahme bildet lediglich die erste Akkolade, die ggf. links etwas eingezogen wird. Eine vergleichbare Vorgabe gilt auch für die ein-zelnen Seiten: Alle Notenseiten müssen komplett gefüllt werden, sodass die letzte Akkolade mit dem unteren Rand der letzten Seite abschließt. Idealerweise sollten gegenüberliegende Seiten gleich viele Notensysteme enthalten und somit zu einem vergleichbaren Schwarz-Weiß-Verhältnis beitragen. In Verbindung mit der Vorgabe, über alle Akkoladen und Seiten hinweg ein ausgewogenes Notenbild mit gleichmä-ßiger Notendichte zu erreichen sowie darüber hinaus optimale, spiel- und auffüh-rungstechnisch sinnvolle Wendestellen auf den ungeraden, rechten Seiten einzu-richten,18 stellt diese Arbeit eine große Herausforderung dar. Die Kunst, die Noten-abstände so zu variieren, dass der Randausgleich hergestellt wird, basierte laut Gamble und Chlapik oft auf » Versuch und Irrtum « und war solange zu wiederho-len bis eine optimale Abstandsverteilung gefunden war.19 Zwar konnte der zeitliche Aufwand durch eine gute Planung minimiert werden, im konkreten Fall mussten die Notenzeilen aber ggf. mehrfach abgesteckt werden, um die gesamte Fläche des Satzspiegels zu füllen.Vor diesem Hintergrund lässt sich leicht erahnen, welche Arbeitserleichterung die Umstellung auf den computerbasierten Notensatz mit sich brachte. Hierbei kann die Arbeit am Layout nicht nur im Anschluss an die Eingabe aller Notations-elemente erfolgen, sondern darüber hinaus können vergleichsweise leicht verschie-dene Layout-Varianten durchprobiert werden. Die Zeilen- und Seitenumbrüche müssen allerdings nach wie vor manuell für das jeweilige Musikstück optimiert werden, denn die kommerziellen Anwendungen implementieren bisher nur ver-gleichsweise einfache Heuristiken zur Taktausrichtung und zur Verteilung der Ak-koladen. Insbesondere führen manuelle Umbrüche bei den Notensatzprogrammen zur Fixierung der Umbruchstelle. Anschließende Umbrüche an vorangehenden Tak-ten führen dann zu einem Taktstau vor diesen Trennstellen, der nur durch Neuein-teilung der Akkoladen beseitigt werden kann.Eigentlich wäre diese etwas umständliche Arbeitsweise gar nicht nötig, da in der Vergangenheit bereits verschiedene global arbeitende Verfahren zur Automatisie-17 Vgl. William Gamble: Music Engraving and Printing – Historical and Technical Treatise, London 1923, S. 128.18 Erstaunlicherweise findet man in neuem, häufig von kleinen Verlagen herausgegebenen Auffüh-rungsmaterial immer wieder Wendestellen, die mit virtuosen Passagen oder Generalpausen zusam-menfallen. Beides dürfte bei den Musikern für Unmut und eventuell für Erheiterung beim Publikum sorgen.19 Gamble: Music Engraving and Printing, S. 129 (s. Anm. 17); Chlapik: Praxis des Notengraphikers, S. 37 (s. Anm. 2).