Die chronometrische Sprachfunktion 99 Es handelt sich hier gleichermaßen um Wörter aus der Schifffahrt (›wenden‹, ›his-sen‹), letzteres findet sich sogar in germanischen Sprachen.Besonders auffällig ist das schon erwähnte aja, das sich im gesamten Mittelmeer-raum findet und sogar im Griechischen als Partikel Verwendung findet; in der fol-genden Übersicht sind auch die Verben genannt, deren Imperativform durch diese Form ersetzt wird:(14) a. Italienisch usw.: eia!, sizilianisch: aj(j)a ›komm!‹b. Maltesisch: Imperativ (2s): ejja ›komm!‹ (ġej ›kommen‹), Kurzform: ej!, Imperativ (2p): ejjew ›kommt‹c. Albanisch: Imperativ (2s): eja! ›komm!‹ (vjen ›kommen‹), Imperativ (2p): ejani! ›kommt‹d. Kalabresisch:eja ›komm!‹, ejati! ›kommt‹, ejamu! ›los‹ (1p)Interessant ist hier auch die auffällige Pluralbildung: Im Maltesischen und Albani-schen werden Pluralendungen angehängt, im kalabresischen Verbalendungen, ob-wohl es sich nicht um ein vollwertiges Verb, sondern eher (wie im Griechischen) um eine Partikel handelt.Auch hier zeigt sich, dass morphologische Kriterien an diesem Randbereich des Sprachsystems verletzt werden.1.2 Zeitmessung Während die Synchronisation immer noch der Funktion der Kommunikation zuge-ordnet werden kann, muss die Zeitmessung im engeren Sinn als besondere Sprach-funktion angesehen werden. Interessanterweise werden überall in Südeuropa (und womöglich auch anderenorts) dieselben Texte zur Zeitmessung verwendet, jeden-falls zeigen das meine Forschungen in folgenden Gebieten:– Pyrenäen (Baskenland, Béarn)– Gascogne (Landes, Chalosse)– Piemont – Mittelitalien (Umbrien, Toskana)– Malta Praktisch überall wird das lateinische Ave Maria verwendet, vor allem wenn kürze-re Zeiträume im Minutenbereich gemessen werden sollen. Die Reform der 1960er Jahre, nach der das Ave Maria nicht mehr lateinisch gebetet wird, spielt hier keine Rolle. Für die Funktion der Zeitmessung wird an dem alten Text festgehalten: