110 Stefan Hanheide sendseitigen Dokumentation » Die deutsche Jugendmusikbewegung in Dokumenten ihrer Zeit von den Anfängen bis 1933 « 11 erscheint der Kanon nur ganz am Rande. Anders ist es mit der polyphonen Setzweise und mit der Musik der Renaissance und des Barock, die in der Jugendmusikbewegung und der dazugehörigen Singbe-wegung unbezweifelt eine besondere Bedeutung einnimmt. Eine ähnlich große Rol-le spielt diese Musik auch in der kirchenmusikalischen Erneuerungsbewegung, die in der Singbewegung wurzelte. Als Oskar Söhngen im Herbst 1932 in der neu ge-gründeten Zeitschrift » Musik und Kirche « 12 die Diskussion um zeitgenössische Kir-chenmusik anstieß 13 – es handelte sich um den Abdruck eines Vortrags vom April des Jahres –, spielte der Kanon keine Rolle, ebenso wenig wie in der sich anschlie-ßenden Diskussion und einer Erklärung der » Arbeitsgemeinschaft zur Pflege und Förderung zeitgenössischer Evangelischer Kirchenmusik « , unterschrieben von den Repräsentanten der Diskussion, u. a. von Richard Gölz, Christhard Mahrenholz, Karl Matthaei, Bruno Grusnick, Wolfgang Reimann, Alfred Stier, Karl Vötterle und Söhngen selbst, alles abgedruckt im ersten Heft des Jahrgangs 1933. Der Forderung in der Erklärung, » regelmäßigen Bericht über kirchenmusikalische Neuerscheinungen in der Zeitschrift ›Musik und Kirche‹ zu erstatten, wurde gleich direkt im Anschluss Genüge getan: Bruno Grusnick berichtete über die Hugo Distlers Choralpassion.Es bleibe nicht unerwähnt, dass ein Exemplar von Peppings Choralbuch mit den kanonischen Chorälen fast nicht mehr aufzubringen ist. Anfragen an Bibliotheken, Handel und Antiquariat, an Kirchenmusiker und kirchenmusikalische Institutionen, an Pepping-Forscher und Wegbereiter seiner Musik blieben erfolglos. Letztlich konnte die Bibliothek des Musikwissenschaftlichen Institutes in Freiburg/Br. ein ein-ziges nachweisbares Exemplar bereitstellen.14 Dieser Umstand könnte darauf hin-deuten, dass sich Komponist und/oder Verlag doch von diesem Werk distanziert ha-ben. In einem Brief von 1933 beklagte sich Pepping gleichzeitig über einen zu nied-rigen Preis und über mangelnde Absatzzahlen seines Werkes. In der neuen Pep-ping-Biografie von Anselm Eber 15 erfährt das Choralbuch nur eine marginale Er-wähnung.Distler hat in seinen oben zitierten Ausführungen die kanonische Kompositions-weise Peppings seiner eigenen als Gegenbeispiel gegenübergestellt. Seine Distanz zu dieser Art von Kanonik zeigt sich in seiner Sammlung » Der Jahrkreis « op. 5. Es handelt sich um das erste Werk, das in Lübeck entstanden ist, beginnend gleich nach Distlers Amtsantritt Anfang 1931, also zeitgleich mit Peppings Choralbuch. Es ist für seine Arbeit mit dem gemischten Chor und dem Kinderchor an St. Jakobi ge-11 Die deutsche Jugendmusikbewegung in Dokumenten ihrer Zeit von den Anfängen bis 1933, hrsg. vom Archiv der Jugendmusikbewegung Hamburg […], Wolfenbüttel 1980.12 » Musik und Kirche « erschien ab 1929.13 Oskar Söhngen: Kirche und zeitgenössische Kirchenmusik, in: Musik und Kirche 4 (1932), Heft 5 (Sept./Okt.), S. 193–222. 14 Für die Bereitstellung des Exemplars bedanke ich mich herzlich. 15 Anselm Eber: Ernst Pepping – Biographie eines Komponisten in Berlin (= Pepping-Studien 5), Köln 2010, das Briefzitat S. 110.