122 Martin Hansen kreten Anhaltspunkte.3 Ohne hier näher auf die Aspekte und die Geschichte des Genres Präludium, das sich nur weich definieren lässt, einzugehen,4 sollte doch er-wähnt werden, dass keine der im neunzehnten Jahrhundert bis dahin erschienenen Sammlungen von Präludien als zusammenhängendes Werk, sondern als Beispiel-sammlung mit pädagogischer Zielsetzung konzipiert war.5 Wie schon Johann Nepomuk Hummel zuvor, hat Chopin seine Präludien in der Reihenfolge des Quintenzirkels gesetzt, gefolgt von der jeweils parallelen Mollton-art. Die Études op. 10 sind, mit Ausnahme von Nr. 7 und 8, auch als parallele Dur- und Moll-Paare geordnet, aber ohne dem Quintenzirkel zu folgen. In einem frühen Autograph von op. 10 schrieb Chopin ausdrücklich attacca am Ende von Nr. 3 vor, allerdings wurde dies nicht in die Erstausgabe übernommen. Die originale Paginie-rung zeigt, dass die Études Nr. 5 und 6 zuerst als Paar konzipiert wurden. Nr. 8, 9 und 10 waren zuerst als Dreiergruppe vorgesehen.6 In den Études op. 25 sind es nur die beiden ersten Stücke, die in dieser Weise geordnet sind. Es ist bekannt, dass Chopin gerade diese beiden Etüden mehrmals als Paar vortrug.7 Mit Ausnahme der beiden letzten Stücke von op. 25 hat Chopin aber kleine Überleitungen oder moti-vische Verbindungen in die Etüden hineinkomponiert, die eine zusammenhängen-de Aufführung begünstigen.8 Chopin hat auch in anderen Werken mit der Gegen-überstellung von Moll- und Durtonarten experimentiert, z. B. im Scherzo b-Moll op. 31 (b-Moll/Des-Dur), in der Ballade op. 38 (a-Moll/F-Dur) und der Fantasie op. 49 (f-Moll/As-Dur).9 3 Chopins Liste beinhaltet die Präludien E-Dur, e-Moll, h-Moll, A-Dur, Des-Dur, Ges-Dur, B-Dur, Ges-Dur und As-Dur in dieser Reihenfolge. Die Liste ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Erstens schrieb Chopin Ges-Dur, obwohl das 13. Präludium (auch im Manuskript) in Fis-Dur notiert ist. Zweitens ordnet er die Stücke noch den beiden Heften der Erstausgabe zu. Frédéric Chopin: OEvre pour piano: fac-similé de l'exemplaire de Jane Stirling, hrsg. von Jean-Jacques Eigeldinger und Jean-Michel Nectoux, Paris 1982, S. 25.4 Vgl. Jeffrey Kallberg: Chopin at the Boundaries. Sex, History and Musical Genre, Harvard 1996, S. 145–158; ders.: Small ›Forms‹: in Defense of the Prelude, in: The Cambridge Companion to Chopin, hrsg. von Jim Samson, Cambridge 1922, S. 50–77. Kallberg argumentiert gegen eine Gesamtauffüh-rung, während Eigeldinger einen Gesamtvortrag wegen der motivischen Zusammenhänge der Stücke befürwortet. Jean-Jacques Eigeldinger: L'Univers Musical de Chopin, Paris 2000, S. 148–167; Eigeldinger: Twenty-four Preludes op. 28, S. 180–186 (s. Anm. 2).5 Z. B. Johann N. Hummel: Vorspiele vor Anfange eines Stückes aus allen 24 Dur und Moll Tonarten zum nützlichen Gebrauch für Schüler, Wien ca. 1818; Carl Czerny: Systematische Anleitung zum Fantasieren auf dem Pianoforte, op. 200, Leipzig 1829; Ignaz Moscheles: Fünfzig Präludien in den verschiedenen Dur- und Moll-Tonarten für das Pianoforte als Vorspiele zu Tonstücken, so wie als Vorübungen zur des Verfassers Pianoforte-Studien, op. 73, Leipzig 1828; und Friedrich Kalkbrenner: Vingt quatre Préludes pour le Pianoforte dans tous les Tons majeurs et mineurs, pouvant servir d'Exemple pour apprendre à préluder, op. 88, Leipzig 1827.6 Vgl. Fryderyk Chopin: Etudes, Op. 10 Nos. 3, 5, 6, 8, 9 and 10, Facsimile Edition of the Manuscript Held in the Fryderyk Chopin Museum in Warsaw (M 192-197, D16-21), hrsg. v. Irena Poniatowska, Warschau 2007, S. 23–24. 7 Vgl. Jean-Jacques Eigeldinger: Chopin as Pianist and Teacher as Seen by his Pupils, übers. von Naomi Shohet, Krysia und Roy Howat, Cambridge 1986, S. 144.8 Vgl. Charles Rosen: The Romantic Generation, Harvard 1998, S. 369–371.9 Tonartangaben nach den Anfangs- und Schlusstonarten. Die teilweise komplexe Tonartbehandlung in diesen Stücken soll hier nicht näher besprochen werden. S. dazu z. B. Rosen: The Romantic Gene-