Musik-Analyse, Psycho-Analyse – » und ein bißchen Adorno ist auch dabei « Musik-Analyse, Psycho-Analyse – » und ein bißchen Adorno ist auch dabei « 1 Hanns-Werner Heister Musik-Analyse ist immer noch Ziel-, Höhe- und Zentralpunkt der musikästhe-tischen Fragestellung. In dieser geht es um Gehalt wie Gestalt eines Musikstücks (oder Werks oder ›Objekts‹ oder ›Prozesses‹).2 Untersucht und erforscht wird, wie Wirklichkeit – natürliche, gesellschaftliche, psychische – in Musik eingeht und dar-gestellt wird. Die konkrete Analyse dieser Objekte ist die jeweilige Probe aufs Exem-pel, wie ein Musikstück gemacht, gedacht und gestaltet ist, was an Wirklichkeit (auch: was nicht) und wie sie im Objekt zur Erscheinung gebracht wird.Die Abwehr gegen dergleichen Anatomie, Physiologie, Psychologie, Soziologie des Kunstwerks beruft sich etwa auf romantisierende Genievorstellungen, auf a- bis irrationalistische Meinungen über » Kreativität « und Kunst – in einem Fächer von Haltungen gerade bei Musik, die als Reservat, ja Bastion des Nicht-Rationalen gilt und gehandelt wird. Das wiederum hat durchaus Analogien zur Abwehr gegen 1 Vgl. Hartmuth Kinzler: Der Tristan-Akkord und seine Behandlung in der Harald-Schmidt-Show un-ter besonderer Berücksichtigung der Differenzen von stufentheoretischer und funktionellharmoni -scher Betrachtungsweise – und ein bißchen Adorno ist auch dabei, in: Vermittelte Musik. Freundes-gabe für Walter Heise zur Emeritierung, hrsg. von dems. (= Schriftenreihe des FB Erziehungs- u. Kul-turwissenschaften, Bd. 17), Osnabrück 2002, S. 218.2 Den alten, abgestandenen und inzwischen eigentlich überholten Streit um den » Werkbegriff « möchte ich hier ebenso wenig wie den zwischen Populär- und Kunstmusik samt der geläufigen Kritik an der E/U-Dichotomie usw. fortsetzen, und ebenso die » De-Struktion « des Kunst-Werks zugunsten » perfor -mativer « Objekte, Inszenierungen, Installationen, Ereignisse (angemessener meist bloß » events « ) usw. auf sich beruhen lassen. Musik als Objekt der Analyse ist weit gefasst, nicht im klassizistischen Sinn – musikalisches Kunstwerk sind daher auch Improvisationen, populäre Songs usw. Von vorne -herein ist auch die multimodale, also akustisch-optische Existenz in Klangform einbezogen, ohne die relativ eigenständige Existenz in Notenform abzuwerten. Das ganze Problem der nicht-europäischen Musik kann ebenso wie das der Nicht-Kunstmusik hier nur erwähnt, aber nicht behandelt werden. Die Verdopplung der Musik in Klang- und Notenform ist zentral nur in europäischer Kunstmusik, aber eben eine prinzipielle historisch-logische Möglichkeit und Wirklichkeit, auch für andere Musik-arten adaptierbar und in vielen Bereichen des Jazz tatsächlich adaptiert, daher prinzipiell für Überle-gungen zum Wesen von Musik und Musik-Analyse zu berücksichtigen. Ausführlich und explizit zum Verhältnis von Noten- und Klangform wie von theoretisch-wissenschaftlicher und praktischer ›Interpretation‹ siehe z. B. Hartmuth Kinzler: Chopins G-Moll-Ballade, ein Opus XXIII. Lose zusam-menhängende analytische und interpretatorische Bemerkungen sowie einige Überlegungen zum Ver -hältnis von Analyse und Interpretation, in: Theorie und Praxis der Musik. Freundesgabe für Ingolf Henning zur Emeritierung, hrsg. von dems. (= Schriftenreihe des FB Erziehungs- u. Kulturwissen-schaften, Bd. 16), Osnabrück 1997, S. 96–143.