Musik-Analyse, Psycho-Analyse – » und ein bißchen Adorno ist auch dabei « 135 Den ›Objekt‹-Begriff verwende ich hier im allgemein- und umgangssprachlichen Sinn, nicht im speziellen der Psychoanalyse und deren durchaus auch verschiede-nen Objektbegriffen.7 Dass in der Terminologie der Psychoanalyse mit ›Objekt‹ vie-les, auch ein ›Liebesobjekt‹ in weiblicher oder männlicher Menschenform bezeich-net wird, also das, was in der Sprache der Philosophie und des Alltags ›Subjekt‹ heißt, muss hingenommen werden. Natürlich gibt es dennoch auch dort Subjekte und Subjektivität wie Objektivität. Gemeinsam dürfte sein, dass Objekt und Subjekt korrelativ aufeinander bezogen sind. Strukturiert ist die Beziehung beide Male asymmetrisch.» Musikalische « Analyse – Wissenschaft als Kunst?Ich spreche hier lieber nicht von » musikalischer « Analyse, obwohl unser Buchtitel so lautet, und diese terminologische Fügung nicht ungebräuchlich ist. Es gibt zwar sicher auch unmusikalische Musik-Analysen, die den jeweiligen musikalischen Sachverhalten nicht gerecht werden – so, wie es auch unmusikalische Musik, Kom-ponierende, Interpretierende, Hörende und Nicht-Hörende gibt –, aber das Adjektiv-Attribut ist im Regelfall hier entschieden fehl am Platz. Denn es geht nicht um die Beschaffenheit und Qualität der Analyse, sondern um deren Objekt. Wie Psycho-Analyse (und nicht ›psychische‹ Analyse) eben eine bestimmte Form der Analyse, der therapeutischen und sekundär wissenschaftlichen Untersuchung der Psyche ist, so ist auch Musik- bzw. ›Werk-Analyse‹ eben eine idealiter möglichst umfassende Untersuchung musikalischer Objekte.In Bezug auf Theodor W. Adorno spricht Rolf Tiedemann als Herausgeber der Schriften zunächst zu Recht von dem » nicht nur sprachlich recht gewagten Unter-titel ›Musikalische Schriften‹« .8 » Die Implikationen dieses Titels sind von niemand genauer als von Heinz-Klaus Metzger – in einer bis heute ungedruckten Rezension – erkannt worden « .9 Dann freilich erzeugt Tiedemann mit Metzger-Zitaten und de-ren pseudo-dialektischen Kapriolen ein Quid pro quo, eine Vertauschung von Philo-sophie und Musik, Denken und Kunst, von Subjekt und Objekt, von Analyse und Analysiertem.[Adornos] Musikbücher sind keine Bücher über Musik. Nie hat Adornos Philo-sophie ihren Anspruch dahin zurückgenommen, die Alternative zwischen dem musikalischen Denken und dem Denken über Musik anzuerkennen […].10 7 Siehe Humberto Nagera (Hrsg.): Psychoanalytische Grundbegriffe. Eine Einführung in Sigmund Freuds Terminologie und Theoriebildung, Frankfurt a. M. 1974 (engl. 1969f.), S. 455–459.8 Rolf Tiedemann: Editorische Nachbemerkung (März 1978), in: Theodor W. Adorno: Musikalische Schriften I-III (= Gesammelte Schriften 16), hrsg. von dems., Frankfurt a. M. 1997, S. 674.9 Ebd., S. 674–675.10 Ebd., S. 675.