136 Hanns-Werner Heister Im Sinne eines neohegelianischen objektiven Idealismus (statt des positivistischen subjektiven Idealismus) erscheint die » Identität « 11 von Begriff und Sache als ›Er-kenntnis‹: Einzigartig steht Adornos oeuvre dafür ein, daß Sache und Begriff nicht äußer-lich einander zuzuordnen, sondern in der Anstrengung des dialektischen Pro-zesses durcheinander zu vermitteln sind, soll ihre Identität, welche Erkenntnis heißt, irgend aufblitzen.12 Nach dem Modell von Münchhausen, der sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht, soll demzufolge auch Musik, natürlich nur » radikalste « , zugleich Reflektiertes und Reflexion sein, letzteres sogar in der Doppelgestalt als auf sich und auf ihre Vorgängerinnen bezogen.Jede Komposition heute […] dürfte schier eine Philosophie der neuen Musik genannt werden, denn ebenso sehr wie Klang ist sie Reflexion auf sich selbst und auf den Stand der Geschichte.13 Die Betonung von ›Klang‹ und abstrakter Selbst-Reflexion, wobei ›Klang‹ eine Ver-engung von Material ist, dessen Stand wohl zugleich als ›Stand der Geschichte‹ gilt, ist weit weg von Musik als Sprache. Ansonsten aber ist die ideologisch angestrebte Sprachferne der Musik hier plötzlich vergessen: Musik und Wort werden gleichge-schaltet. Dabei ist auch diese Verwechslung von Musik und Analyse nur mittels der verachteten Wortsprache möglich.So zaubert Metzger schließlich die Rechtfertigung der laut Tiedemann » recht ge-wagten « Betitelung durchaus immanent logisch wie das Kaninchen aus dem Hut: Komplementär dazu aber dürfen philosophische Reflexionen, die […] einzig im streng immanenten Vollzug ihres Gegenstandes sich der Chance versichern, überhaupt in Philosophie überzugehen […], musikalisch heißen wie nur eine musikalische Komposition selber.14 Etwas anderes ist es mit den Werken von Adrian Leverkühn in Thomas Manns » Doktor Faustus « , für die Adorno sehr ausführliche Vorlagen geschrieben hat, oft samt den Kommentaren des fiktiven deutschen Tonsetzers. In solcher Wortmusik gibt es tatsächlich eine tendenzielle Identität von ›Analyse‹ und Kunstwerk – aber eben im Modus des Imaginär-Realen, in und als Kunst.11 Sonst haben es Adorno und seine Adepten eigentlich lieber mit dem » Nicht-Identischen « zu tun, das dann unter postmodernen Vorzeichen vollends zum Schibboleth scheinbarer Totalkritik am » Beste-henden « schlechthin wird.12 Ebd. (vgl. Anm. 8)13 Ebd.14 Ebd.